31.03.2020

Kirche kommt ins Wohnzimmer – mehr als 50 Online-Angebote

Hohe Zugriffszahlen, auch aus dem Ausland

Nur vier von über 50 Pfarrerinnen und Pfarrern, die unter anderem mit Videos online gehen: Anne Tikkanen-Lippl aus Mödling, Superintendent Lars Müller-Marienburg, Tom Stark aus Schärding und Robert Jonischkeit aus Kufstein (im Uhrzeigersinn). Foto: epd/Screenshot

Hohe Zugriffszahlen, auch aus dem Ausland

Wien/St.Pölten/Mödling/Schärding/Kufstein (epdÖ) – Über 50 evangelische Pfarrgemeinden, Diözesen und Initiativen haben innerhalb der ersten Woche auf das Aussetzen aller kirchlichen Veranstaltungen wegen der Coronakrise reagiert und bieten seitdem online Gottesdienste, Andachten, Gebetsimpulse und vieles mehr an. Viele haben damit Neuland betreten. Der Evangelische Pressedienst hat sich unter Pfarrerinnen in ganz Österreich umgehört und sie nach ihren ersten Eindrücken von der kirchlichen Praxis in Krisenzeiten gefragt, die nun weitgehend in den digitalen Raum gewandert ist.

„Dafür, dass wir so gut wie keine Technik anschaffen konnten und es keine echte Vorlaufzeit gab, sind die Ergebnisse hervorragend“, zieht der niederösterreichische Superintendent Lars Müller-Marienburg, Initiator eines gesamtösterreichischen Projekts, das täglich Mittagsgebete auf YouTube streamt, ein positives Zwischenfazit. Der Kanal der Evangelischen Kirche in Österreich habe mittlerweile (Stand Montag, 23. März) 560 Abonnentinnen und Abonnenten, insgesamt hätten aber bereits fast 5.000 Personen insgesamt über 13.000 Mal auf die Videos zugegriffen. „Die Leute schätzen, dass es die Mittagsgebete jeden Tag gibt und sie ein paar Minuten Gebet und Impulse bekommen“, so Müller-Marienburg. Etwa acht von zehn Zusehern kämen aus Österreich, aber jeder Zehnte greife von einem Gerät in Deutschland aus auf den Stream zu. Und sogar in den USA finden die Mittagsgebete aus Österreich ihr Publikum. Kritisch angemerkt werde, dass sich deren Format primär an ältere Menschen richte, was sich auch durch die Zahlen bestätigen lasse, so Müller-Marienburg. Aber jeder vierte sei unter 44: „Das soll in Sonntagsgottesdiensten erst mal passieren.“

Tikkanen-Lippl: Menschen sind froh, dass wir in ihre Wohnzimmer kommen

„Wir sind eigentlich selbst sehr begeistert, wie wir in kurzer Zeit etwas geschafft haben, was wir bislang überhaupt noch nicht gemacht haben“, sagt Pfarrerin Anne Tikkanen-Lippl aus Mödling. Die niederösterreichische Gemeinde postet auf YouTube ihren Sonntagsgottesdienst, zudem gibt es kurze Kindergottesdienste, die alle stark nachgefragt werden. „Die Menschen sind froh, dass wir als Pfarrgemeinde in ihre Wohnzimmer kommen.“ Schwieriger sei die Situation, ältere Menschen ohne Internet zu erreichen. Von deren Seite hätte sie noch überhaupt keine Anrufe erhalten, so Tikkanen-Lippl: „Jetzt müssen wir schauen, dass wir da selbst zum Hörer greifen. Aber gerade in einer großen Gemeinde wie unserer ist das schwierig.“ Ihre Diakonie-Mitarbeiterinnen hätten auch Postkarten geschrieben, um mit Menschen in Pflegeheimen, die sie sonst besuchen, in Kontakt zu bleiben. Zu tun hat Tikkanen-Lippl nicht zuletzt aufgrund der Umstellung in der letzten Woche genug. Und doch blickt sie nicht unbesorgt auf die kommenden Wochen: „Vor allem der Gedanke, Ostern nicht richtig feiern zu können, ist sehr schmerzlich.“

Stark: Nicht weniger Arbeit, nur auf anderen Kanälen

„Ich mache das gleiche wie sonst, nur auf anderen Wegen“, sagt Pfarrer Tom Stark aus dem oberösterreichischen Schärding, der auf YouTube sonntägliche Videoandachten hoch lädt. Die Nachfrage danach ist hoch: Online wären zehnmal mehr Menschen dabei als sonst im Gottesdienst, so Stark. Hoch sei auch das Engagement der Menschen zuhause, die sich an den Onlineandachten beteiligten. „Die absolute Zahl spricht für sich, für den Aufwand, den man da betreibt. Ich mache das ja auch nicht für die Welt, sondern es ist ein Instrumentarium, um konkret mit den Gemeindemitgliedern vor Ort in Kontakt zu bleiben.“ Denen, die nicht im Internet unterwegs seien, habe er darüber hinaus einen Brief geschickt mit Gebetstexten und der Einladung, sich jederzeit an ihn zu wenden. Vermehrte telefonische Anfragen aber könne er bislang noch nicht beobachten. Persönlich werde er kein Problem damit haben, die Zeit durchzustehen: „Ich bin da auch privilegiert, habe einen Garten, kann rausgehen, gehöre nicht zu einer Risikogruppe. Ich habe auch nicht weniger Arbeit, sie findet nur auf anderen Kanälen statt.“

Jonischkeit: Qualität von Gemeinschaft zeigt sich in Krisenzeiten besonders

In Kufstein, wo Pfarrer Robert Jonischkeit seine Predigten als Videos und zum Ausdrucken auf der Gemeindehomepage anbietet, werden diese sehr gut angenommen. Rund 230 Menschen hätten sich die letzte Predigt angesehen, so Jonischkeit – bei etwa 30, die in einem „normalen“ Sonntagsgottesdienst kommen. Die Predigten würden auch online diskutiert, und das nicht nur von Evangelischen: „Sie werden auch von Katholiken angenommen, die sich entweder dafür bedanken, dass sie auf diese Weise einmal eine evangelische Predigt hören konnten, oder auch inhaltliche Anfragen stellen.“ Langweilig wird dem Pfarrer in der Zeit mit Ausgangsbeschränkungen nicht, dafür sorgen seine zwei kleinen Kinder und allerhand Arbeit, die sich am Schreibtisch angesammelt hat. Und er schaut zuversichtlich nach vorne: „Ich denke, dass sich die Qualität von Gemeinschaft in Krisenzeiten besonders zeigt. Das motiviert mich besonders.“

Alle Online-Angebote aus den evangelischen Pfarrgemeinden und Diözesen finden Sie unter evang.at/Mitfeiern. Das Mittagsgebet der Evangelischen Kirche in Österreich unter evang.at/Mittagsgebet.

ISSN 2222-2464

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