17.10.2002

Interreligiösen Dialog ernst nehmen

Religionswissenschaftler Max Deeg zum Kalachakra-Ritual in Graz

Religionswissenschaftler Max Deeg zum Kalachakra-Ritual in Graz

Wien, 16. Oktober 2002 (epd Ö) „Inwieweit die Kirche einen wie auch immer gearteten Dialog mit dem Dalai Lama und buddhistischen Kreisen allgemein zu führen bereit ist, hängt sicherlich nicht zuletzt mit einem Ernstnehmen der immer wieder angesprochenen Notwendigkeit eines interreligiösen Dialogs zusammen.“ Zu diesem Schluss kommt der Religionswissenschaftler Univ.Prof. Dr. Max Deeg von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien in einer Stellungnahme zum Dalai Lama und zum Kalachakra, dem Einweihungsritual in den tibetischen Buddhismus, das am 12. Oktober in Graz eröffnet worden ist. In dem vom Evangelischen Oberkirchenrat A.u.H.B. in Auftrag gegebenen Gutachten verweist Deeg darauf, dass eine „Schaubühne“ wie dieses Ritual „eher ungeeignet“ sei, einen solchen konstruktiven Dialog zu führen. Vielmehr berge sie die Gefahr in sich, polemische Kritik oder kritiklose Apologetik auszulösen.

Den Grundsatz des Ökumenischen Forums christlicher Kirchen in der Steiermark „Dialog mit dem Dalai Lama ja – gemeinsame religiöse Handlungen nein“ hält der Religionswissenschaftler für „von institutioneller Seite aus respektierbar und in seiner Konsequenz einsichtig“. Deeg stimmt auch dem steirischen Superintendenten Hermann Miklas zu, der in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit genauer und objektiver Information betont hat. Die Teilnahme eines Christen am Kalachakra Ritual ist, so Deeg, mit der Teilnahme eines Moslems, Buddhisten oder Juden an einer Veranstaltung des Papstes zu vergleichen, bei der das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche einen Segen über alle Anwesenden spricht. Deeg betont: „Buddhismus ist in seiner realen und soteriologischen Ausformung sehr vielschichtig“. Ziel aller buddhistischer „Religionen“ sei „das Erlangen von Erkenntnis, einer Weisheit, die den Menschen aus der Gebundenheit in seine existentielle Grundsituation des Leidens zu befreien vermag.“

Gegen unwissenschaftliche Verschwörungstheorien

In seinem Gutachten wendet sich Deeg gegen eine „umfassende Verschwörungstheorie“, die auch den Hinduismus und den Faschismus mit einschließe und vor allem von den Dalai-Lama-Gegnern Herbert und Mariana Röttgen und Victor und Victoria Trimondi vertreten werde. Die Veröffentlichungen dieser Autoren seien „eher propagandistisch-polemisch als wissenschaftlich fundiert zu nennen“. Der Religionswissenschaftler wörtlich: „Es sollte sich eigentlich heutzutage von selbst verbieten, Behauptungen über Religionen zu verbreiten, die sich auf eine ‘fundamentalistische’ wörtliche Interpretation eines religiösen Textes, in diesem Falle des Kalachakra-Tantra, oder von Textgattungen wie Tantras im Allgemeinen beziehen.“

ISSN 2222-2464

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