19.01.2016

Innsbruck: StudentInnen-Wohnheim gedenkt seiner Geschichte

Dantine: "Möge dieser Ort nun ein Ort der Mahnung werden"

Superintendent Olivier Dantine (l.) erinnerte bei der Einweihung der Gedenktafel an die Selbstverpflichtung der Kirche, die Erinnerung an die Greueltaten der Nationalsozialisten wachzuhalten. (Foto: R. Heiss/Superintendentur Salzburg-Tirol)

Dantine: „Möge dieser Ort nun ein Ort der Mahnung werden“

Innsbruck (epdÖ) – Im Rahmen einer Gedenkstunde wurde am Eingang des Evangelischen StudentInnen-Wohnheims im Innsbrucker Stadtteil Saggen am Sonntag, 17. Jänner, eine Gedenktafel angebracht, die an die bewegte Geschichte des Hauses in der Gänsbacherstraße 4 erinnert. „Möge dieser Ort nun ein Ort des Gedenkens und Mahnung werden“, sagte Superintendent Olivier Dantine bei der Feier.

Das Haus befand sich seit Beginn der 1920er Jahre im Besitz der jüdischen Familie Bauer, die ein großes Kaufhaus betrieb, der Vorläufer des heutigen Kaufhauses Tyrol. In der Reichspogromnacht im November 1938 wurde Karl Bauer, Mitbesitzer und Seniorchef, überfallen und schwer verletzt. Er erholte sich nie wieder von diesem Verbrechen. Karl Bauer und seiner Familie gelang die Flucht in die USA, das Haus wurde damals von den Nationalsozialisten „arisiert“. Nach einem langen Restitutionsprozess gelang es Alice Bauer, Karl Bauers Frau, im Jahr 1948, die Liegenschaft zurückzuerhalten. 1958 verkaufte sie das Haus an die Evangelische Kirche A.B. in Österreich, die dort ungarische Mädchen, die wegen des Ungarnaufstandes geflüchtet sind, unterbrachte. Im Jahre 1980 wurde die Liegenschaft dem Diakonischen Verein Tirol mit der Absicht einer fortgesetzten sozialen Nutzung übergeben. Das StudentInnen-Wohnheim Saggen wurde seither erweitert und bietet nun jungen Studierenden aus vielen Ländern ein temporäres Zuhause.

„Mir bedeutet es sehr viel, heute mit Ihnen hier zu sein: Es ist ein wichtiges Anliegen der Evangelischen Kirche, dass die Geschichte des Hauses und das Schicksal seiner früheren Bewohnerinnen und Bewohner auf diese Weise sichtbar gemacht wurde“, betonte Dantine. In seinem Grußwort erinnerte der Superintendent auch an die Erklärung „Zeit zur Umkehr – die Evangelischen Kirchen in Österreich und die Juden“ der Generalsynode aus dem Jahr 1998 und an die darin enthaltene Selbstverpflichtung, die Erinnerung an die Leidensgeschichte des jüdischen Volkes und an die Schoah stets wachzuhalten. „Diese Selbstverpflichtung nehmen wir sehr ernst.“

An der Feier nahmen neben BewohnerInnen des StudentInnen-Wohnheims und dem Vorstand des Diakonischen Vereins Tirol unter Obmann Michael Orendi auch die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Innsbruck, Esther Fritsch, Stadtrat Gerhard Fritz, der Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte an der Universität Innsbruck, Dirk Rupnow, sowie der Vorstand der Tiroler Sparkasse, Hans Unterdorfer, teil.

ISSN 2222-2464

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