Im Schlamm
Gedanken von Michael Chalupka zur Hochwasserkatastrophe
Gedanken von Michael Chalupka zur Hochwasserkatastrophe
„Rette mich, Gott, denn das Wasser steht mir bis zum Hals! Ich versinke in tiefem Schlamm und finde keinen Halt. Das Wasser reißt mich in die Tiefe, die Flut überschwemmt mich. Erschöpft bin ich durch mein ständiges Rufen, meine Kehle brennt, meine Augen erlöschen.“ Das Gebet, das uns in den Psalmen überliefert ist, wurde wohl vor fast 3000 Jahren gesprochen und könnte doch auch heute gesprochen sein. Von der, die auf dem Dach ihres Hauses auf Hilfe wartet. Oder vom erschöpften Helfer, der versucht den bedrohten Damm zu halten.
Heute leben wir in einer Welt, die weitaus mehr technische Möglichkeiten bietet. Die Wetterprognosen werden genauer. Tage vor der großen Flut wurden wir schon vorgewarnt. Im heißen Sommer, der das Mittelmeer aufheizte, warnten die ersten Stimmen vor den katastrophalen Folgen. Doch wenn sie eintreten, steht der Einzelne auch heute vor den Scherben seiner Existenz.
„Zieh mich heraus aus dem Schlamm, damit ich nicht versinke!“ Dieses Gebet ist der Hilfeschrei eines Ausgelieferten, eines, der sein Schicksal in der Hand eines anderen weiß. Auch das haben die vergangenen Tage gezeigt. Der Hilferuf wird erhört. Den tausenden Helfern der Hilfsorganisation, den Nachbarinnen und Nachbarn, die mit angepackt haben, sei Dank. Doch das Gefühl, einer fremden Macht ausgeliefert gewesen zu sein, wird bleiben. Und es werden noch viele Gebete gehört werden wollen, auch nach der Flut.
ISSN 2222-2464