25.10.2018

Im Gespräch – „Dem Rad in die Speichen greifen“

Ingrid Tschank darüber, wie man die Welt verändert

Ingrid Tschank darüber, wie man die Welt verändert

Von Dietrich Bonhoeffer stammt der Satz „Dem Rad in die Speichen greifen“ Er sagte das im Zusammenhang seines Widerstandes gegen das Naziregime. Bonhoeffer ist bis heute nicht nur ein interessanter Theologe, er fasziniert mit seinem politischen Engagement, seinen pointierten Aussagen, poetischen und theologischen Texten – und er passt in keine Schublade.

„Ich singe ganz besonders gerne Bonhoeffers Lied ‚Von guten Mächten wunderbar geborgen‘“, erzählt mir eine junge Mitarbeiterin, „aber am meisten fasziniert mich sein Ausspruch: ‚Dem Rad in die Speichen greifen‘. Der Gedanke daran macht mir Mut, denn es kann ja nicht alles so weiter gehen: Armut, Ungerechtigkeit, Not, Elend, Hunger, das ängstigt so viele Menschen weltweit, manchmal auch mich. Klimawandel, Terroranschläge, Bankenkrise sind tägliche Bedrohungen.“

„Dem Rad in die Speichen greifen“, das heißt: den Wagen daran zu hindern, einfach so weiterzufahren. Das bedeutet aber nicht, die Welt aufzuhalten, sondern abzubremsen und eine andere Richtung einzuschlagen. „Ich will Mitgestalten, nicht resignieren und sagen, da kann man nichts ändern. Ich will daran glauben, dass Gott – und alle Menschen guten Willens – eine bessere Welt für alle Menschen wollen und sie auch schaffen können.“

Der Welt in die Speichen greifen! Wie geht das? Was braucht man dazu? Sicherlich Wissen, ein Gespür für Gerechtigkeit und eine gute Portion Hausverstand, das Verstehen der globalen Zusammenhänge. Offenheit für die Suche nach Alternativen ist ebenso dringend erforderlich, damit das Miteinander von Kulturen und Religionen gelingt. Keiner lebt auf einer Insel, wir sind alle miteinander vernetzt und verbunden. Sensibilität und Demut ist angesagt um die Bräuche und Gewohnheiten anderer zu verstehen.

Im Glauben können wir die Freuden und Hoffnungen, die Nöte und Ängste der Menschen weltweit teilen. Wenn uns Armut und Ungerechtigkeit begegnen fühlen wir uns oft ohnmächtig, klein und allein. Und nicht selten scheint es ja, dass wir nichts ändern können. Gott schenkt uns aber nicht nur seine Gaben, er stellt uns auch Aufgaben: Brich dem Hungrigen dein Brot. Gib ab von dem, was du ausreichend hast. Teile und Danke, denn wer reich erntet, kann reichlich geben. Setzte dich ein für den Frieden, bleibe offen für andere Menschen, lass dir nichts einreden, wo dein Hausverstand dir doch klar sagt, dass du belogen und ausgenutzt wirst. Greif dem Mainstream in die Speichen, mach nicht überall mit, bleibe kritisch und doch positiv dem Leben gegenüber eingestellt. Und denke daran: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, Erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen Und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

Mag. Ingrid Tschank ist Pfarrerin in Gols. Kontakt: vatevq.gfpunax@rinat-tbyf.ng

Jeden Sonntag sind Pfarrerin Maria Katharina Moser, Vikarin Julia Schnizlein und Pfarrerin Ingrid Tschank in der „Krone bunt“ – Kolumne „Im Gespräch“ zu lesen. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von krone.at

ISSN 2222-2464

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