24.10.2014

Hennefeld: „Kirche muss sich auch politisch engagieren“

Umgang mit Flüchtlingen und Asylwerbern in Österreich "beschämend"

Kirche und Politik, die Flüchtlingsfrage und das Verhältnis zwischen lutherischer und reformierter Kirche waren einige der Themen, zu denen der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld Stellung nahm. (Foto: epd/M. Uschmann)

Umgang mit Flüchtlingen und Asylwerbern in Österreich „beschämend“

Wien (epdÖ) – Kirche müsse sich politisch engagieren, weil auch die Geschichte Jesu zutiefst politisch sei. Im Bereich der Flüchtlingsarbeit etwa sei es nicht nur notwendig, diakonische Hilfe zu leisten. Als Pfarrer sehe er es auch als seine Aufgabe an, von der Kanzel aus Begleitarbeit zu leisten und in einem positiven Sinne Stimmung zu machen. Das sagte der evangelisch-reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld. Er war am 23. Oktober im Rahmen der Reihe „Gemeinde im Gespräch“ zu Gast in der Lutherischen Stadtkirche in Wien.

„Es ist beschämend, dass eines der reichsten Länder der Welt nicht in der Lage ist, ein paar tausend Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen“, kritisierte Hennefeld, der an der Spitze der Evangelischen Kirche H.B. in Österreich steht. „Man muss sich nur einmal anschauen, wie viele Flüchtlinge in anderen Ländern aufgenommen wurden, etwa in der Türkei oder im Libanon.“ Hennefeld wünscht sich hier jedenfalls ein Umdenken und fordert eine gerechtere Verteilung von Flüchtlingen und Asylwerbern in Europa. Doch nicht nur zur aktuellen Flüchtlingskrise bezog Hennefeld Stellung. Seit vielen Jahren ist er auch im interreligiösen Dialog und in der Friedensarbeit aktiv. Auf Bezirksebene pflegt Hennefeld seit den 1990er Jahren den Kontakt mit muslimischen MitbürgerInnen. Darüber hinaus engagiert er sich in der Friedensarbeit im Nahen Osten. Auch wenn sich die politische Situation in Israel nach wie vor als schwierig darstelle, glaubt er an die Möglichkeit eines Friedens. „Wir Christen glauben an einen Gott der Liebe und der Hoffnung, da dürfen wir nicht resignieren. Alles, was wir tun, kann ein Mosaiksteinchen hin auf dem Weg zum Frieden sein.“

Dass sich Hennefeld so pointiert zu politischen Fragen äußert, liege auch an der Tradition seiner Kirche. Bereits die reformierten Reformatoren, in erster Linie Ulrich Zwingli und Johannes Calvin, seien politisch engagiert gewesen. „Ihnen ging es nicht nur um die Veränderung der Kirche, sondern auch um die Veränderung der Gesellschaft“, erklärte der Landessuperintendent. Die Frage, ob Kirche sich überhaupt politisch engagieren oder sich nicht doch eher auf die Verkündigung des Evangeliums konzentrieren solle, findet Hennefeld „fast komisch“. Die Bibel sei auch ein politisches Buch, beginnend bei der Geschichte des Auszugs aus Ägypten über die Propheten bis hin zur Geschichte Jesu. „Ist das nicht ein starkes politisches Statement gewesen, dass Gott beschlossen hat, in einem jüdischen Flüchtlingskind Mensch zu werden, der dann sein Leben lang Schwierigkeiten mit den Obrigkeiten hatte und letztlich auch deswegen hingerichtet wurde?“

Das Verhältnis zwischen der größeren lutherischen und der reformierten Kirche in Österreich bezeichnet Hennefeld als sehr gut und reibungsfrei, dies sei in den 1970er und 1980er Jahren noch anders gewesen. Die Unterschiede zwischen den Kirchen würden heute keine größere Rolle mehr spielen. Im Dialog mit der katholischen Kirche wünscht er sich weniger Zugeständnisse. Er könne sich nicht vorstellen, dass eine einzige Person an der Spitze steht und sich der Rest unterordnet. Dies hänge auch mit der Struktur seiner Kirche zusammen, die eine Hierarchie im klassischen Sinne nicht kenne. Lob für die evangelisch-lutherische Schwesterkirche gab es in Bezug auf das Reformationsjubiläum 2017. „Schon 2011 haben wir in Österreich beschlossen, uns gemeinsam auf das Reformationsjubiläum vorzubereiten. Seitdem arbeiten wir, die lutherische, reformierte und methodistische Kirche, gemeinsam an dem Konzept. Dabei war von Anfang an klar, dass wir gleichberechtigt zusammenarbeiten, unabhängig von der Größe der Kirchen.“

Das Gespräch mit Thomas Hennefeld wurde von Udo Bachmair, Journalist und Präsident des Vereins für Medienkultur, moderiert.

ISSN 2222-2464

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