16.08.2020

Gottes Unruhestifter

Maria Katharina Moser über das Vermächtnis des John Lewis

„Meine Philosophie ist sehr einfach. Wenn du etwas siehst, das nicht richtig ist, nicht fair, nicht gerecht – sag etwas! Tu etwas!" Foto: wikimedia/Library of Congress

Maria Katharina Moser über das Vermächtnis des John Lewis

Es gibt Menschen, die scheinen den Streit zu suchen. Wir mögen sie nicht wirklich, die Unruhestifter. Sie stören die gewohnte Ordnung. Machen Ärger – und handeln sich Schwierigkeiten ein.

„Handle dir bloß keinen Ärger ein!“, schärfen daher Eltern Kinder immer wieder ein. So auch die Eltern von John Lewis. „Don’t get in trouble“, rieten sie ihrem Sohn. Denn schwarze Jugendliche gerieten schnell in Schwierigkeiten in Troy, Alabama, in den 1950iger Jahren. In Schwierigkeiten, die leicht sehr gefährlich werden konnten. Besonders, wenn man sich querlegte gegen die Rassentrennung.

John Lewis ist Pastor der Baptistenkirche geworden. Quergelegt hat er sich trotzdem. Ja, gerade deswegen. Für John Lewis war der Einsatz in der Bürgerrechtsbewegung ein Ausdruck seines Glaubens. „Der Glaube ist eine starke und verbindende Antriebskraft für alle, die sich für soziale Veränderung einsetzen“, schreibt er.

Lewis kämpfte für die Gleichstellung der Schwarzen, er nahm an Sitzstreiks teil, schloss sich den Freedom Riders an, schwarzen und weißen Bürgerrechtlern, die gemeinsam mit Bussen durch den Süden fuhren, um gegen die Rassentrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln zu protestieren, war Redner beim Marsch auf Washington, bei dem Martin Luther King seine berühmte Rede „I have a Dream“ hielt. Über 40 Mal wurde Lewis bei Demonstrationen verhaftet. Am 7. März 1965 stand er an der Spitze des Marsches von Selma nach Montgomery, bei dem das Wahlrecht für alle gefordert wurde. Schwer bewaffnete Polizisten versperrten den Weg. Lewis ging weiter. Er wurde niedergeknüppelt und schwer verletzt. Vier Monate später, am 6. August, unterzeichnete Präsident Johnson das neue Wahlrechtsgesetz – Lewis erholte sich noch von den Folgen des Schädelbruchs. Trotzdem, ja gerade deswegen blieb Lewis sein Leben lang, auch während seiner zweiten Karriere als Abgeordneter zum Repräsentatenhaus, davon überzeugt, dass „trouble-making“ notwendig ist: „Meine Philosophie ist sehr einfach. Wenn du etwas siehst, das nicht richtig ist, nicht fair, nicht gerecht – sag etwas! Tu etwas! Get in trouble. Good troble. Necessary trouble. Handle dir Ärger ein! Guten Ärger. Notwendigen Ärger.“

Das Vermächtnis des dieser Wochen im Alter von 80 Jahren verstorbenen John Lewis gibt mir zu denken: Manchmal müssen wir uns querlegen. Manchmal müssen wir Unruhe stiften. Gute Unruhe. Weil sie notwendig ist.

ISSN 2222-2464

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Rassismus | Moser

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