Gott hat Bauchweh
Julia Schnizlein über den menschgewordenen Gott
Julia Schnizlein über den menschgewordenen Gott
„Und sie (Maria) gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe …“. Kaum ein Christ kennt sie nicht – die vertrauten Worte aus dem Lukasevangelium, die uns von der Menschwerdung Gottes erzählen.
Gott wurde Baby, das feiern wir zu Weihnachten! Leider erfahren wir in der Bibel wenig über die darauffolgenden Jahre. Denn Gott-Mensch, also Jesus, wurde ja größer. Irgendwann zahnte er, bekam Bauchweh und erste Kinderkrankheiten. Wann wurden ihm wohl zum ersten Mal die Haare geschnitten – oder die Nägel? Wie war das in der Pubertät, die aufkeimende Männlichkeit?
Es ist wahrscheinlich, dass Jesus den Beruf seines Stiefvaters Josef erlernte und Handwerker wurde. Wie viele seiner Berufskollegen litt er durch das häufige Bücken und viele Überkopfarbeiten vermutlich schon bald unter Schulter- und Nackenproblemen, Rücken- oder Knieschmerzen.
Ja, Gott war ein Mensch mit Haut und Haar – das ist ein zentraler Bestandteil des christlichen Glaubens. Er wurde „Fleisch“, so lesen wir das in den ersten Zeilen des Johannesevangeliums. Umso erstaunlicher ist es doch, dass die Kirche über Jahrhunderte hinweg alles „Fleischliche“ und Körperliche abgewertet hat. Dass sie Sinnlichkeit als „sündhaft“ verurteilt und vor allem den weiblichen Körper herabgemindert hat.
Die Geschichte von Jesus Christus gibt dafür jedenfalls keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil. Durch die Inkarnation identifiziert sich Gott mit allen Aspekten des Menschseins: Freude, Schmerz, Lust, Müdigkeit, Krankheit und Tod. Gott schuf den Menschen zu seinem Ebenbild, mit Leib und Seele. Daher tragen unsere Körper – und zwar jeder, egal welchen Geschlechts oder welcher Hautfarbe, egal ob alt oder jung, krank oder gesund, dick oder dünn, mit Wunden, Falten oder Narben verziert – Gottesebenbildlichkeit in sich.
Gott offenbart sich nicht nur im Geistlichen. Nicht nur im Gebet. Er begegnet uns auch in unseren eigenen Erfahrungen von Körperlichkeit. Schon deshalb ist unser Körper ein kostbares Gut und Geschenk Gottes! Und dieses Geschenk sollten wir gerade jetzt in der Weihnachtszeit hegen und pflegen. Die Ferien bieten Gelegenheit, unserem Körper vermehrt Ruhe zu gönnen, ihm Gutes zu tun, ihn zu verwöhnen und ihm die Wertschätzung entgegenzubringen, die er verdient hat.
ISSN 2222-2464