21.06.2018

Gleichstellung: Ökumenisches Frauenforum fragt nach Status quo

100 Jahre Frauenwahlrecht - Diskussion über Geschlechtergerechtigkeit in Wien

Sehen zu wenig Bewegung in Fragen der Gleichstellung von Männern und Frauen: Moderatorin Regina Augustin, Journalistin Brigitte Theißl, Theologe Martin Fischer, Frauenrechtlerin Andrea Hladky, Gleichbehandlungsanwältin Sabine Wagner-Steinrigl und Co-Moderatorin Ulrike Swoboda (v.l.). Foto: epd/Michael Windisch

100 Jahre Frauenwahlrecht – Diskussion über Geschlechtergerechtigkeit in Wien

Wien (epdÖ) – Gleiche Entlohnung, Selbstbestimmung, Wahlfreiheit in allen Lebensbereichen: Die Themen der Frauenrechtsbewegung hätten sich seit Einführung des Frauenwahlrechts 1918 kaum verändert, so der Tenor einer Podiumsdiskussion des Ökumenischen Forums christlicher Frauen am Mittwoch, 20. Juni, in Wien. Wo in der Frage der Geschlechtergerechtigkeit heute anzusetzen sei, war dementsprechend die leitende Frage der DiskutantInnen Andrea Hladky, Sprecherin des Frauenvolksbegehrens, Brigitte Theißl, Redakteurin des feministischen Magazins „an.schläge“, Sabine Wagner-Steinrigl, Referentin für Gleichbehandlungsfragen im Bundeskanzleramt, und Martin Fischer, Professor an der KPH Wien-Krems und im Kultusamt für die evangelischen Kirchen zuständig.

Wagner-Steinrigl: #metoo-Debatte muss erst zu Ergebnissen führen

Die großen Fragen, die Frauen in der Gesellschaft betreffen, seien seit Jahrzehnten dieselben, erklärte Wagner-Steinrigl und bezog sich dabei auf gleiche Entlohnung und sexuelle Belästigung. Männer hätten heute noch immer „weitgehend kein Verständnis für equal pay“, so die Gleichbehandlungsanwältin. Für viele sei die Frage des Lohns keine strukturelle, sondern eine rein individuelle. Auch in der Politik sehe sie hier keinen Willen etwas zu ändern: „Ich verstehe nicht, warum nicht ein Lohngleichheitsgebot ins Gesetz aufgenommen wird.“ Sexuelle Belästigung werde zwar derzeit öffentlich breit diskutiert, geringer sei das Problem aber nicht geworden, im Gegenteil gebe es „jetzt sogar mehr Fälle als früher, weil auch mehr gemeldet wird.“ Die seit Aufkommen der #metoo-Kampagne im vergangenen Herbst hitzig geführte Debatte müsse aber erst zu Ergebnissen kommen, noch stünden diese aus.

Fischer: Männer sehen Machtpositionen gefährdet

Martin Fischer erinnerte daran, dass das allgemeine Wahlrecht für Männer in Österreich erst 1907 eingeführt worden sei, also nur elf Jahre vor dem Wahlrecht für Frauen. Noch 1873 seien erst sechs Prozent der Männer wahlberechtigt gewesen.  In seiner Analyse nahm Fischer immer wieder auch explizit Männer in den Blick: „Veränderungen zugunsten von Frauen sind bei Männern nicht populär. Denn letztlich geht es dabei um Machtpositionen.“ Wenn zum Beispiel Sprachregelungen als Belanglosigkeit abgetan würden stehe immer im Hintergrund, dass Männer ihre Definitionsmacht gefährdet sähen. Nicht wenige Männer hätten Angst, dass ihnen Macht genommen werde, „auch wenn sie das so nie artikulieren würden.“ Fischer kritisierte auch die binären Zuschreibungen von Männer- und Frauenrollen nach einem Schema des „Entweder-Oder“: Im hebräischen Original der Schöpfungsgeschichte stehe ja nicht „Gott hat die Menschen als Mann und Frau erschaffen, sondern als männlich und weiblich, nicht männlich oder weiblich.“

Theißl: Gender Pay Gap medial unterrepräsentiert

Die Journalistin Brigitte Theißl berichtete von ihren Erfahrungen der medialen Darstellung von Themen, die die gesellschaftliche Gleichstellung von Frauen betreffen: „Es gibt eine sehr positive Entwicklung in der Berichterstattung über Fragen der Gleichstellung. Hier hat sich sehr viel getan, so dass zum Beispiel Frauenmagazine wie ‚Woman‘ oder ‚Wienerin‘ feministische Themen aufgreifen – dann aber vor allem Themen, die sich medial gut inszenieren und personalisieren lassen, und bei denen eventuell auch eine Skandalisierung möglich ist.“ Harte Themen wie der Gender Pay Gap oder Pensionsansprüche seien medial kaum repräsentiert; an vorderster Stelle lägen die Kopftuchdebatte und Fragen sexueller Gewalt.

Hladky: Nicht warten, bis Politik und Wirtschaft so nett sind, etwas zu geben

Andrea Hladky vom Frauenvolksbegehren meinte, eine wirkliche Gleichberechtigung für Frauen könne es nur gemeinsam mit Männern geben, weshalb in das Volksbegehren auch Männer mit eingebunden seien. Als einen zentralen Aspekt in der Gleichheitsfrage hob Hladky die Unterscheidung von bezahlter und unbezahlter Arbeit hervor, wobei letztere – zum Beispiel im Fall der Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen – mehrheitlich von Frauen geleistet werde. Durch die Einführung einer allgemeinen 30-Stunden-Woche könne es hier zu einer Angleichung kommen. Zudem rief sie dazu auf, Rechte einzufordern: „70 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts waren erst zehn Prozent der Abgeordneten Frauen. Wir können nicht warten, bis Politik und Wirtschaft so nett sind, uns etwas zu geben. Wenn wir nicht mehr Frauen in Macht- und Entscheidungsebenen bekommen, wird sich die Situation nur in kleinen Schritten ändern.“

Eröffnet wurde der Abend von der evangelischen Theologin Ulrike Swoboda, die Moderation übernahm Regina Augustin, Generalsekretärin der Katholischen Frauenbewegung und Nationalkoordinatorin des Ökumenischen Forums Christlicher Frauen.

ISSN 2222-2464

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