24.01.2013

Geteilte Meinung über 20 Jahre „Lichtermeer“

Chalupka: "Lichtermeer" ist gescheitert, alle FPÖ-Forderungen erfüllt

Ist das "Lichtermeer" erloschen? Dieser Frage ging das "Politische Streitgespräch" der Evangelischen Akademie Wien am 23. Jänner nach. Alexander Pollak (SOS-Mitmensch) sieht die FPÖ auf der zivilpolitischen Ebene als gescheitert an. (Foto: epdÖ/M. Uschmann)

Chalupka: „Lichtermeer“ ist gescheitert, alle FPÖ-Forderungen erfüllt

Wien (epdÖ) – „Lichtermeer erloschen?“ – mit dieser Frage beschäftigten sich Vertreter aus dem Bereich der Zivilgesellschaft bei einem „Politischen Streitgespräch“ der Evangelischen Akademie in Wien am 23. Jänner, am Tag genau 20 Jahre nach dem „Lichtermeer“, jener politischen Kundgebung, die sich damals gegen das ausländerfeindliche Volksbegehren der FPÖ wandte.

„Das ‚Lichtermeer‘ hat keine Verbesserung gebracht“, diese nüchterne Bilanz zog Diakonie-Direktor Michael Chalupka. 20 Jahre danach seien alle Forderungen des FPÖ-Volksbegehrens, das damals nur wenig Zustimmung fand, umgesetzt, wie etwa strengere Asylgesetze. Die wenigen Verbesserungen, die es im Asyl- und Flüchtlingsbereich in den vergangenen Jahren gegeben habe, verdanke man der Europäischen Union. Nur durch Richtlinien und Vorgaben aus Brüssel konnte es in Österreich zu Änderungen kommen. Die Angst der Politiker vor der FPÖ unter Jörg Haider und jetzt Heinz-Christian Strache stößt bei Chalupka auf Unverständnis. „Immer wieder in den vergangenen 20 Jahren wurde uns von SPÖ und ÖVP erklärt, sie müssten die Ausländergesetze verstärken, weil sonst die FPÖ zulegt. Sie haben es getan, und die FPÖ hat trotz allem zugelegt und kommt heute in Umfragen auf rund 30 Prozent.“

Das „Lichtermeer“ habe sehr wohl etwas gebracht, ist Alexander Pollak von „SOS-Mitmensch“ überzeugt. Zahlreiche zivilgesellschaftliche Initiativen, darunter etwa die „ZARA Rassismus Hotline“ oder „Ehe ohne Grenzen“, seien im Anschluss an diese Demonstration gegründet worden. Die Politik der Freiheitlichen Partei Österreichs sieht er im zivilgesellschaftlichen Bereich gescheitert: „Einwanderung fand in den vergangenen Jahren statt und findet auch heute noch statt.“ Die Behauptung rechter Politiker, dass Österreich kein Einwanderungsland sei, findet er „lächerlich“.

Helmut Schüller, Pfarrer in Probstdorf, war einer der Initiatoren des „Lichtermeers“. Er erinnert sich noch genau an die Planungsphase damals. Innerhalb weniger Wochen wollte eine Gruppe von engagierten Männern und Frauen auf das Volksbegehren „Österreich zuerst“ von Jörg Haider reagieren. Zu Diskussionen habe regelmäßig die Frage geführt, inwiefern man Politikern der anderen Parteien erlauben solle, bei der Organisation und Durchführung des „Lichtermeers“ mitzuwirken. Abgeordnete von SPÖ und ÖVP wollten mitmachen, besonders SPÖ-Minister Rudolf Scholten habe sich aktiv eingebracht, wofür er sich auch den Ärger seiner Parteikollegen zuzog. „Die Frage war: Wie viel Wasser darf in den Wein geleert werden?“ Letztlich habe man sich aber auf Kompromisse geeinigt, nicht zuletzt deshalb, weil ohne die Infrastruktur von Sozialdemokratie und Gewerkschaft das „Lichtermeer“ nicht so erfolgreich hätte stattfinden können, ergänzte Peter Huemer, der das „Politische Streitgespräch“ moderierte.

Auch Grün-Politiker Niki Kunrath, wie Schüller einer der Initiatoren des „Lichtermeers“, kann kaum Verbesserungen in den vergangenen Jahren feststellen. Eine Ausnahme auf politischer Ebene habe einzig SPÖ-Innenminister Caspar Einem (1995-1997) dargestellt, dieser sei aber an den Mitarbeitern im Ministerium gescheitert.

Auf die Situation der Flüchtlinge in der Votivkirche angesprochen, erklärte Diakonie-Direktor Chalupka, dass die Asylwerber die Kirche nicht besetzen würden. „Die Kirche ist ein Haus Gottes und jeder kann in diesem Haus Zuflucht suchen und finden.“ Chalupka und Schüller waren sich darin einig, dass innerhalb der Kirchen der Schutz und die Unterstützung von Fremden, Asylwerbern und Flüchtlingen unumstritten seien. „Da passt auch zwischen die unterschiedlichen kirchlichen Lager, von erzkonservativ bis links-liberal, kein Blatt“, so Schüller.

ISSN 2222-2464

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