28.11.2018

Genmanipulierte Babies: Körtner verurteilt Versuch als „ganz unethisch“

Theologe fordert im Ö1-Interview internationale Aufsichtsbehörde

Der medizinische Nutzen von Gen-Experimenten sei fraglich, die möglichen Nebenwirkungen nicht abzuschätzen, sagt der Theologe und Medizinethiker Ulrich Körtner. Foto: pixabay

Theologe fordert im Ö1-Interview internationale Aufsichtsbehörde

Wien/Shenzhen (epdÖ) – Entsetzt reagiert der Wiener evangelische Theologe und Medizinethiker Ulrich H.J. Körtner auf die Behauptung eines chinesischen Mediziners, erstmals genmanipulierte Babys zur Welt gebracht zu haben. „Meine erste Reaktion war, möglicherweise ist das Ganze ein Fake. Wir haben immer wieder schon solche Berichte gehabt, am Ende hat sich herausgestellt, das war ein Betrug“, sagte Körtner am Dienstag, 27. November, im Ö1-Mittagsjournal. Der Vorstand des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin bezieht sich dabei darauf, dass der per Videobotschaft verkündete Forschungserfolg eines Teams um He Jiankui von der Universität Shenzhen bislang noch nicht verifiziert werden konnte. Jiankui hatte behauptet, eine befruchtete Eizelle mittels einer Genschere so manipuliert zu haben, dass dadurch die Möglichkeit einer Aids-Erkrankung ausgeschaltet worden sei. Zwei Babies seien bereits vor einigen Wochen im Rahmen des Experiments geboren worden. Körtner hält den Versuch, „wenn er stattgefunden haben sollte“, für „ganz unethisch“.

Bislang ist noch nicht geklärt, ob die behauptete Manipulation technisch überhaupt machbar wäre: „Bei Tieren und Pflanzen hat das funktioniert, beim Menschen wissen wir nicht, ob es funktioniert. Die Frage ist auch, wie viele Versuche wurden vielleicht unternommen, eine Schwangerschaft herbeizuführen,  wie viele Fehlversuche hat es gegeben, allein das finde ich schon ethisch nicht akzeptabel. Wie wird es diesen Kindern nach fünf oder zehn Jahren gehen? Niemand weiß etwas darüber.“

Medizinischer Nutzen fraglich, Nebenwirkungen nicht abzuschätzen

Der Zeitpunkt für die Bekanntgabe des vermeintlichen Forschungserfolgs war nicht zufällig gewählt, aktuell tagen Expertinnen und Experten in Hongkong über Genmanipulationen beim Menschen. Auch die Frage, ob sich durch die Verschiebung des medizinisch Machbaren auch der Druck auf Ärzte und Patienten erhöhe, risikoreiche Eingriffe vorzunehmen, stehe dort in Diskussion, so Körtner. Wenn man Krankheiten verhüten wolle, gebe es jedoch ganz andere, sicherere Methoden, so zum Beispiel die Präimplantationsdiagnostik: „Auch die ist ethisch umstritten, aber wenn man darauf aus ist, bestimmte Faktoren, die Erbkrankheiten auslösen könnten, zu verhindern, ist es allemal einfacher, eine Präimplantationsdiagnostik vorzunehmen als eine hochriskante Operation am Genom einer befruchteten Eizelle.“ Auch müsse man nach dem medizinischen Nutzen für die Kinder fragen. Sich gegen alle möglichen Krankheiten absichern zu wollen, sei „uferlos“. Untersuchungen zeigten zudem, dass Nebenwirkungen nicht abgeschätzt werden können: „Ich habe dann vielleicht Malaria ausgeschaltet, dafür habe ich mir das Nilfieber eingekauft.“

Konkret fordert Körtner auf internationaler Ebene rechtliche Rahmenbedingungen und eine Aufsichtsbehörde für Genforschung, UNO und EU müssten hier tätig werden: „Natürlich kann man immer sagen, es gibt Forscher, die Techniken missbrauchen. Aber das sollte uns nicht entmutigen, zu versuchen, einen ethischen Konsens international aufrechtzuerhalten.“

ISSN 2222-2464

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Medizinethik | Körtner

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