04.01.2019

Reformierte Kirche: Früherer Pfarrer und Oberkirchenrat Balázs Németh verstorben

Landessuperintendent Hennefeld: Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit hatte in seiner Arbeit oberste Priorität

Der langjährige reformierte Pfarrer und Oberkirchenrat Balázs Németh, hier auf einem Archivbild von 2017, verstarb in Wien. Foto: epd/Uschmann

Landessuperintendent Hennefeld: Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit hatte in seiner Arbeit oberste Priorität

Wien (epdÖ) – Die Evangelische Kirche H.B. in Österreich trauert um Balázs Németh. Der langjährige evangelisch-reformierte Pfarrer der Wiener Zwinglikirche, der von 1986 bis 1998 auch als Oberkirchenrat der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche H.B. in Österreich angehörte, verstarb am 29. Dezember in Wien im 88. Lebensjahr. Der Gottesdienst zur Verabschiedung findet am Samstag, 19. Jänner, um 15.00 Uhr in der Zwinglikirche (Schweglerstraße 39, 1150 Wien) statt.

„Balázs Németh wird seiner Kirche fehlen“, sagte der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld in einer ersten Reaktion gegenüber dem Evangelischen Pressedienst. Seine Kirche, so Hennefeld weiter, werde ihn „in dankbarer Erinnerung“ behalten, seine „auf das Wohl der Menschen ausgerichtete Theologie wird uns weiter begleiten“.

Als Mitglied der Synode und Generalsynode, als Mitglied des Oberkirchenrates H.B., in diversen Ausschüssen und im Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich habe Balázs Németh die reformierte Kirche in Österreich in den letzten Jahrzehnten stark mitgestaltet und geprägt. „Der Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt hatte in seiner Arbeit oberste Priorität“, unterstreicht Hennefeld. „Unermüdlich verkündigte er den menschenfreundlichen Gott, der auf der Seite der Unterdrückten, Schwachen und Armen steht.“ In Némeths Theologie haben sich christliches, humanistisches und marxistisches Gedankengut „zu einer fruchtbaren Symbiose“ verbunden. Hennefeld würdigte Németh als Vertreter einer reformierten Theologie auf der Grundlage der reformatorischen Schriften des 16. Jahrhunderts „mit dem zentralen Gedanken, dass sich der christliche Glaube in der Weltgestaltung manifestieren müsse“. Németh habe stets die Untrennbarkeit von Gottes-und Nächstenliebe betont. Seine Theologie, so Hennefeld weiter, war von evangelischen Theologen wie Karl Barth, Dietrich Bonhoeffer oder auch Paul Tillich beeinflusst, ebenso wie von der Theologin und Dichterin Dorothee Sölle oder auch dem Dichter Erich Fried, „also von Menschen, die einen radikalen Humanismus vertraten“. In seiner „unermüdlichen aber nie persönlich untergriffigen Kritik“ habe Németh „ganz im prophetischen Sinn“ die ungerechten wirtschaftlichen Strukturen und einen menschenverachtenden Kapitalismus und Neoliberalismus angeprangert. Die autoritären und teilweise auch faschistoiden Entwicklungen in Europa in den letzten Jahren, so auch in seinem Heimatland Ungarn, habe er „mit großer Sorge“ verfolgt.

Als gebürtiger Ungar hatte Balázs Németh auch stets die Kontakte zur ungarisch-reformierten Schwesterkirche wie auch zu den ungarisch-sprachigen Kirchen im Karpatenraum gepflegt. Németh war maßgeblich an der sogenannten „Oberwartkonferenz“ beteiligt, die reformierte KirchenvertreterInnen aus Ost und West in der Zeit des Kalten Krieges aber auch danach zusammenbrachte.

Balázs Németh ging zwar schon 1998 in den Ruhestand, blieb aber bis vor wenigen Monaten aktiv. Er hielt Gottesdienste und Vorträge, machte gelegentlich noch Trauungen, Taufen und Begräbnisse und nahm am Gemeindeleben seiner Gemeinde Wien-West, in der er mehrere Jahrzehnte als Pfarrer wirkte, aktiv teil. „Ich schätzte seinen scharfen Verstand, seine Bescheidenheit und Einfachheit im persönlichen Leben wie sein leidenschaftliches Engagement für eine bessere und gerechtere Welt“, erinnert sich Hennfeld.

Balázs Németh wurde 1931 in Budapest geboren und wuchs in seiner ostungarischen Heimatstadt Nagykörös auf. Als Jugendlicher erlebte er das präfaschistische Horthy-Regime und die deutsche Besatzung. Nach dem Studium der Theologie an der Reformierten Theologischen Akademie von Budapest trat er ins Vikariat. 1956, im Jahr der Niederschlagung des ungarischen Volksaufstands durch die Sowjetunion, verließ er das Land und ging nach Österreich, um hier im Auftrag des Weltkirchenrates in Genf ungarische Flüchtlinge zu betreuen. Seine Studien setzte er in Heidelberg und Wien fort.
In Österreich wurde er 1964 mit der Pfarrstelle an der Zwinglikirche von Wien-West betraut, die er bis zu seiner Pensionierung 1998 betreute. Seit 1986 gehörte er bis zum Pensionsantritt dem Oberkirchenrat H.B. an.

Németh war ab 1969 Redakteur des Reformierten Kirchenblatts und 1975/76 an der Gründung der Zeitschrift Kritisches Christentum beteiligt. Seither sind seine Artikel und Predigten konstitutiver Bestandteil dieser Zeitschrift. Er gehörte dem Vorstand des Herausgebervereins „Aktion Kritisches Christentum“ an und zählte 1984 zu den Gründungsmitgliedern der ökumenischen Aktionsgemeinschaft „Christen für die Friedensbewegung“, bis März 2011 hatte er den stellvertretenden Vorsitz inne. Er war Mitglied der Christlichen Friedenskonferenz und von 1965 bis 1985 als Jugendpfarrer H.B. – im gesamteuropäischen Ökumenischen Jugendrat engagiert.

2001 schloss er seine Dissertation über die „Evangelisch-reformierte Lebensgestaltung zwischen Kontinuität und Wandel – Ungarn im 16. Jahrhundert als Beispiel“ ab, die 2003 in Buchform erschienen ist und auch ins Ungarische übersetzt wurde. 2002 wurde er am Institut für Europäische Ethnologie der Universität Wien promoviert. Bis zu seinem Tod vertrat Balázs Németh die Evangelische Kirche in Österreich im Volksgruppenbeirat der Bundesregierung für die ungarische Volksgruppe.

ISSN 2222-2464

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