10.11.2020

Friedensgebete für Terroropfer in ganz Österreich

Gemeinsame Signale gegen Hass und Gewalt

In Wels beteten Imam Senad Podojak, Pastoralassistentin Angelika Gumpenberger-Eckerstorfer und Vikar Marcus Hütter gemeinsam. Foto: Irmgard Lehner

Gemeinsame Signale gegen Hass und Gewalt

Klagenfurt/Wels/Feldkirch/Salzburg/Wien (epdÖ) – Mit zahlreichen Friedensgebeten haben in ganz Österreich Religionsvertreterinnen und Religionsvertreter der Opfer des Terroranschlags von Wien gedacht. Im Klagenfurter Dom setzten am Sonntag, 8. November, Repräsentanten aus Kirchen, Religionen und Politik ein „sichtbares Zeichen des gemeinsames Eintretens für Frieden und Toleranz, über Religions- und Kulturgrenzen hinweg“, wie der römisch-katholische Diözesanbischof Josef Marketz sagte. Gemeinsam mit Marketz beteten der evangelische Superintendent Manfred Sauer, Adnan Gobeljic, Vorsitzender der Islamischen Religionsgemeinschaft in Kärnten, und der rumänisch-orthodoxe Pfarrer Visarion Viorel Ipati für die Opfer des Terroranschlags. Auch Landeshauptmann Peter Kaiser nahm am Friedensgebet teil. Sauer richtete sich in einem Gebet an Gott: „Bewahre uns vor blindem Hass und vor dem Reflex, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Hilf uns, gegen die Finsternis in uns und gegen die Finsternis in der Welt, immer wieder das Licht der Hoffnung, das Licht des Friedens und das Licht deiner Liebe zu entzünden.“

Wels: Friedensgebet fordert mehr als nur „Lippenbekenntnisse“

In Wels luden am Sonntag die evangelische und die römisch-katholische Pfarrgemeinde St. Franziskus gemeinsam mit dem bosnisch-österreichischen Kulturzentrum zu einem interreligiösen Friedensgebet. Damit wollte man zum Ausdruck bringen, „dass weder Gott noch Religion für menschenverachtende Taten wie am 2.11 in Wien als Legitimation missbraucht werden dürfen“, so Initiator Marcus Hütter, Vikar der evangelischen Pfarrgemeinde Wels: „Der Glaube an Gott, Religion, sie können leicht missbraucht werden und eignen sich schrecklicherweise hervorragend für Gräueltaten allerlei Art. Daher ist es so wichtig, dass es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt – es sind Aktionen wie diese, in denen ein anderer Weg deutlich wird, bei denen in, mit, durch und eben gerade wegen unseren Religionen der Weg des Friedens beschritten und sichtbar wird.“ Senad Podojak vom bosnisch-österreichischen Kulturzentrum betonte: „Heute zeigen wir als Gesellschaft, dass wir zusammenstehen müssen. Wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir laufen nicht auseinander. Wir trauern.“ Pastoralassistentin Angelika Gumpenberger-Eckerstorfer unterstrich: „Wir wollen in Frieden miteinander leben und unsere österreichische Gesellschaft gemeinsam gestalten – auch, weil wir uns alle als Kinder eines liebenden Gottes verstehen.“

Feldkirch: Liebe als Antwort auf Hass

Schon am Donnerstag, 5. November, hatten sich im Dom von Feldkirch die Vertreter der Religionen in Vorarlberg im Zeichen des Friedens getroffen. Hass und Gewalt im Namen Gottes würden nur Angst und Schrecken verbreiten, dürften jedoch nicht mit einer ebensolchen Haltung entgegnet werden, sagte Pfarrer Michael Meyer von der Evangelischen Kirche Dornbirn, denn „Gewalt führt zu Gegengewalt, Hass und völliger Vernichtung“. Die richtige Antwort sei das genaue Gegenteil. „Liebe überwindet Hass, beendet Gewalt, reicht dem Feind die Hand und versöhnt sich mit ihm. Liebe weigert sich, Feinde zu sein.“ Der römisch-katholische Diözesanbischof Benno Elbs bekundete seine Bestürzung über den Terroranschlag und die Morde, die vielen Menschen „unendliches Leid“ gebracht hätten. „Wir alle sind sehr betroffen, wenn Menschen versuchen, das was uns allen wichtig ist, zu zerstören: Den Wert der Nächstenliebe, der Solidarität und des Miteinanders“, so Elbs. Scharfe Worte der Verurteilung des Attentäters kamen von der Vorsitzenden der Islamischen Religionsgemeinde Vorarlberg, Elif Dagli. Niemand dürfe „aus welchem Grund auch immer ein anderes Geschöpf Gottes seelisch oder gar körperlich verletzen“. Die einzig gültige Reaktion sei eine von „Friede, Verantwortung, Akzeptanz, Respekt und Solidarität“ geprägte. Der altkatholische emeritierte Bischof Johannes Okoro betonte, in allen Religionen und Gruppierungen seien nun „Menschen, die bereit sind Brücken zu bauen“ nötig. Der serbisch-orthodoxe Pfarrer Nikola Balovic rief das Leid der Angehörigen der Opfer in Erinnerung und bezeichnete Jesus Christus als „ewigen Lebens- und Trostspender“. Auch Vertreter der Baha’i beteiligten sich an der Veranstaltung, die von einem privaten Fernsehsender live übertragen wurde.

Salzburg: Jugend betet online

Ebenfalls am Donnerstagabend veranstalteten in Salzburg die Jugendorganisationen der Kirchen und Religionsgemeinschaften ein gemeinsames virtuelles Friedensgebet auf der Plattform „Zoom“. „Uns war es wichtig, in dieser Zeit ein Signal der Verbundenheit und des Friedens zu senden“, erklärte Andreas Huber-Eder, einer der Mitinitiatoren des Gebets, in einer Aussendung. Beteiligt waren die Katholische Jugend Salzburg, die Evangelische Jugend Salzburg-Tirol und die Muslimische Jugend Salzburg. Die Online-Veranstaltung sollte einen Raum für den Austausch von Gedanken, zum Äußern von Trauer und für gemeinsames Gebet schaffen, hieß es weiter. Freigeschaltet wurde während des Treffens auch eine digitale Trauerwand, auf der die Teilnehmenden aller drei Religionen berührende Gedanken und Gebete hinterließen. Darunter etwa die Fürbitte, „dass alle hier zusammenhalten, dass es unglaubliche viele Zeichen von Hilfsbereitschaft und Da-sein-füreinander gegeben hat und gibt“.

Wien: Dialoggruppe lehnt Religion als Rechtfertigung für Gewalt ab

Christliche und muslimische Gemeinden im kulturell vielfältigen zehnten Wiener Gemeindebezirk Favoriten haben sich „schockiert und entsetzt“ über den Terroranschlag in der Wiener Innenstadt gezeigt. Besonders betroffen mache, „dass der Täter offensichtlich versucht hat, seine Tat mit religiösen Motiven zu rechtfertigen“, heißt es in einer Stellungnahme der „Interreligiösen Dialoggruppe Favoriten“. „Religion kann und darf nie Rechtfertigung für Gewalt sein“, darin stimmten beide Glaubenslehren überein. Dieser Überzeugung schlossen sich in einer Aussendung am Freitag Vertreter der Evangelischen Pfarrgemeinde H.B. Wien Süd und der Pfarrgemeinde A.B. Christuskirche ebenso an wie römisch-katholische und orthodoxe Gemeinden, islamische Geistliche und Vereinigungen von Muslimen aus Bosnien, Tschetschenien und der Türkei, aber auch die Baha’i und das „Austria Bangladesh Cultural Center ‚Baitul Mamur Masjid‘ Favoriten“.

ISSN 2222-2464

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