17.07.2002

Friede fängt im eigenen Haus an

Interreligiöse Friedensdiskussion im burgenländischen Stadtschlaining - Superintendentin Knoll: "Dem Rad in die Speichen fallen"

Interreligiöse Friedensdiskussion im burgenländischen Stadtschlaining – Superintendentin Knoll: „Dem Rad in die Speichen fallen“

Stadtschlaining, 17. Juli 2002 (epd Ö) Der Friede aus Sicht der verschiedenen Weltreligionen stand im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion der Sommerakademie „Europa Macht Frieden“, zu der das Österreichische Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ÖSFK) am Donnerstag, 11. Juli, nach Stadtschlaining im Burgenland eingeladen hatte.

Die burgenländische evangelische Superintendentin, Gertraud Knoll, kritisierte den „viel zu herzigen“ interreligiösen Dialog. Tatsächliche Friedfertigkeit entstehe nicht durch Konfliktverdrängung und sei mehr als bloßes „Selbsttraining“. Feindesliebe sei nicht schwieriger als sich selbst zu lieben. Versöhnungsarbeit geschehe durch Auseinandersetzung, kluges Streiten und Konfliktbearbeitung. Erst dann sei eine Einigung für Spielregeln möglich, die jeder mittragen muss. Knoll: „Friede ist etwas, das uns allen die Teilhabe am Leben ermöglicht.“ Die Superintendentin sieht Frieden auch als „Bringschuld zur Selbstdisziplin“: „Ich fange immer wieder bei mir selbst an und versuche, zur Deeskalation beizutragen.“ Der religiösen Frage entkomme niemand. „Wir begreifen uns als sterbliche Wesen, können das Leben nicht in einem Machbarkeitswahn in der Hand halten“, so Knoll. Friede sei „etwas zum Beißen, nicht Harmonie in der Seele allein“. Soziale Gerechtigkeit sei die Voraussetzung dafür. Um sie zu erreichen, müsse man – wie der Theologe und Märtyrer Dietrich Bonhoeffer sagte – „dem Rad in die Speichen fallen“.

Bischof Iby: Friede ist Werk der Gerechtigkeit

Der Eisenstädter Diözesanbischof, Paul Iby, erinnerte an den Einsatz des Papstes und der katholischen Kirche für Frieden und soziale Gerechtigkeit, die Grundwerte der Kirche seien. Jedes Jahr werde am 1. Jänner der kirchliche Weltfriedenstag gefeiert, der Papst habe am 24. Jänner zum zweiten Mal Vertreter der Weltreligionen zu einem Gebetstreffen für den Frieden nach Assisi eingeladen. „Keiner darf im Namen Gottes töten, dem Terrorismus gegenüber Nachsicht üben oder ihn predigen“, sagte Bischof Iby. Das Zweite Vatikanische Konzil habe festgestellt, dass Friede nicht allein in der Abwesenheit von Krieg besteht, sondern vielmehr ein Werk der Gerechtigkeit ist. Gerechtigkeit und Vergebung als Werk der Liebe, besonders die Solidarität zwischen Nord und Süd, seien ein Dienst der Religion am Frieden zwischen den Völkern. Iby forderte zum Gebet auf, um die innere Gesinnung zum Frieden zu stärken.

Oberrabbiner Eisenberg: Gott ist auf der Seite der Ohnmächtigen

Es gäbe auch Stellen in der Bibel, die von Hass und Krieg gezeichnet sind, erklärte Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg von der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. Da diese Stellen aber nicht einfach gestrichen werden könnten, sei ihre Interpretation notwendig. Vor dem Hintergrund der Erfahrung der Israeliten in der Fremde müsse aus der Geschichte gelernt werden. Schlimme Ereignisse, die am eigenen Leib gespürt wurden, sollten dazu benutzt werden, „jetzt besser damit umzugehen“. Denn, so Eisenberg: „Gott ist auf der Seite der Ohnmächtigen.“

Dass Frieden nicht etwas Abstraktes sei, sondern „Komponenten und Voraussetzungen“ brauche, betonte Omar Al-Rawi von der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich. Die Welt benötige heute „Mediatoren, um den Frieden zu sichern“, auch Vertreter der Religionen. Zivilcourage sei dabei notwendig. Nicht nur der Friede, sondern auch soziale Gerechtigkeit müsse im Vordergrund stehen. Al-Rawi: „Dort, wo es mich nicht betrifft, sind wir solidarisch. Aber nicht dort, wo es um den eigenen Vorteil geht.“ Die Religionsgemeinschaften hätten die Aufgabe, als politische Interessensvertretung gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit aufzutreten. Dazu brauche es auch den Mut, eigene Fehler auszusprechen.

Kundu: Absolute Gerechtigkeit ist ein Traum

Der Präsident der Hinduistischen Gemeinde in Österreich, Bimal Kundu, verwies darauf, dass der Friede ein Thema der Dichter, Denker, Priester und Propheten sei. Es gebe keinen Menschen in der Welt, „der nicht Frieden will.“ Ein Weg zum Frieden ist nach Kundu die soziale Gerechtigkeit, wobei er zu bedenken gab: „Absolute soziale Gerechtigkeit ist ein Traum.“ Aus hinduistischer Sicht nannte Kundu als wichtigste Voraussetzung für den Frieden den inneren Frieden des Menschen, verbunden mit spiritueller Disziplin im Sinne der Gewaltlosigkeit, Liebe, Toleranz und Meditation.

„Ihre absoluten Wahrheitsansprüche haben zu einer Polarisierung geführt, die Hass und Aggression verursacht hat“, warf Eva Maroscheck, Vizepräsidentin der Buddhistischen Religionsgesellschaft, den Vertretern der abrahamitischen Religionen vor. Der Buddhismus dagegen sei keine Religion, sondern „ein Trainingsweg für den Menschen“ für Frieden und soziale Gerechtigkeit.

Das 1982 gegründete Österreichische Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ÖSFK) ist im südburgenländischen Stadtschlaining beheimatet. Es hat das Ziel, zur weltweiten Förderung des Friedens und zur Förderung friedlicher Konfliktlösungen beizutragen.

ISSN 2222-2464

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