27.04.2016

Flüchtlinge: Kirchen protestieren gegen Verschärfung

Vorgehen „rechtsstaatlich inakzeptabel“ – Bedenken auch von Richtern und Experten

Deutliche Kritik an den geplanten Verschärfungen des Aslyrechts kommt von den Kirchen, aber auch von Richtern und Verfassungsexperten. Foto: Diakonie/Ben Nausner

Vorgehen „rechtsstaatlich inakzeptabel“ – Bedenken auch von Richtern und Experten

Wien (APA/epdÖ) – Nach ihren Hilfsorganisationen haben auch die Römisch-katholische und die Evangelische Kirche die Regierung aufgefordert, die geplante Verschärfung des Asylgesetzes fallenzulassen. Die katholische Bischofskonferenz warnt vor einem „nicht akzeptablen Eingriff“ in das Grundrecht auf Asyl. Verfassungsrechtliche Bedenken kommen indessen von den Landesverwaltungsgerichten, von Richtern und Experten.

Die äußerst knapp bemessene Begutachtungsfrist ist zwar bereits am Donnerstag, 21. April, abgelaufen, auf der Parlamentshomepage sind laufend neue Stellungnahmen zu finden. So befürchtet die römisch-katholische Bischofskonferenz, dass die Beschränkung des Asylrechts in Österreich auch eine „restriktive Dynamik“ in anderen EU-Ländern auslösen könnte. „In letzter Konsequenz würde das Recht auf Asyl faktisch ausgehebelt, wogegen sich die Katholische Kirche entschieden ausspricht“, heißt es in der Stellungnahme.

Die Evangelische Kirche sieht in ihrer Stellungnahme das geplante Vorgehen als „rechtsstaatlich inakzeptabel“, weil das Gesetz keine konkreten Kriterien für das Vorliegen eines Notstandes vorsieht, der in weiterer Folge die Einschränkung des Asylrechts bewirkt. Auch die Richtervereinigung hält diesen Punkt für „verfassungsrechtlich bedenklich“.

Verfassungsrechtliche Probleme befürchten auch die Präsidenten der neun Landesverwaltungsgerichte. Sie wehren sich (unterstützt durch mehrere Länder) nämlich nicht nur dagegen, dass sie künftig für Beschwerden gegen Zurückweisungen an der Grenze zuständig sein sollen. Sie sehen die Zuständigkeit beim Bundesverwaltungsgericht. Vielmehr haben sie auch inhaltliche Bedenken.

Stellvertretend für seine Kollegen kritisiert der Präsident des Tiroler Landesverwaltungsgerichts, Christoph Purtscher, dass gravierende Grundrechtseingriffe wie die 14-tägige Inhaftierung von Flüchtlingen oder deren Zurückweisung an der Grenze ohne schriftlichen Bescheid möglich sein sollen. Im Gesetz werde ein wirksamer Rechtsschutz suggeriert, der in der Praxis nicht zutreffe, meint Purtscher.

Auch wie ein mündliches Berufungsverfahren möglich sein soll, wenn an der Grenze Zurückgewiesene nicht wieder nach Österreich einreisen dürfen, ist Purtscher unklar: „Wie dieser Widerspruch aufzulösen sein wird, ist derzeit völlig offen, die Lösung kann wohl nicht im Wegfall des Rechtsschutzes zu Lasten des Beschwerdeführers bestehen.“ Die Asylkoordination sieht den Rechtsschutz hier ebenfalls gefährdet – zumal die Beschwerde aus dem Ausland, ohne Rechtsberatung auf Deutsch abgefasst werden müsste.

Das Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte geht davon aus, dass das Gesetz sowohl vom Verfassungsgerichtshof als auch vom Europäischen Gerichtshof und vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gekippt wird. Dies deshalb, weil unklar ist, ob der EU-Vertrag die von der Regierung geplante Notverordnung wirklich zulässt (es gibt dazu bisher keine Judikatur) und weil das Institut bezweifelt, dass die geplante Umsetzung verfassungs- und menschenrechtskonform ist.

Kritik kommt auch von den SP-nahen Kinderfreunden, die grundsätzlich vor einer Notstandsverordnung warnen: „Wir geben zu bedenken, dass diese Vorgehensweise nicht nur auf nationaler Ebene ein Präzedenzfall für spätere Wiederholung in anderen Kontexten sein kann.“ Grundsätzliche Unterstützung für die Regierung kommt dagegen von ÖGB und Arbeiterkammer, die allerdings „Augenmaß“ beim Einsatz der Verordnung einmahnen: „Eine vorzeitige Erlassung der Verordnung ohne entsprechende Gefährdung wäre demokratiepolitisch bedenklich.“ Die Industriellenvereinigung wünscht sich eine Ausnahme vom „Asyl auf Zeit“ für berufstätige (konkret: über ein Jahr durchgehend beschäftigte) Flüchtlinge. Dies auch als Anreiz zur Integration.

Auch die Bundesjugendvertretung spricht sich in einem offenen Brief vom 26. April gegen die geplanten Änderungen des Asylgesetzes, des Fremdenpolizeigesetzes und des BFA-Verfahrensgesetzes aus. „Die geplanten Gesetzesnovellen erschweren die Situation von schutzsuchenden Familien und nehmen auf die besonderen Bedürfnisse von asylsuchenden Kindern und Jugendlichen, die in ihren jungen Jahren bereits Unfassbares erlebt haben, keine entsprechende Rücksicht“, lautet die Kritik der Bundesjugendvertretung, in der auch die Evangelische Jugend Österreich mitarbeitet.

Nach zum Teil heftiger innerparteilicher Kritik vor allem innerhalb der SPÖ haben sich die beiden Koalitionsparteien am Montag, 25. April, auf einen Kompromiss verständigt. Wie SPÖ-Klubomann Andreas Schieder im Gespräch mit der APA erklärte, kann die Verordnung nur für maximal sechs Monate erlassen werden. Wenn der Notstand dann immer noch nicht beseitigt ist, kann sie jedoch bis zu dreimal um je weitere sechs Monate verlängert werden.

ISSN 2222-2464

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