22.08.2020

Falsche Hirten

Michael Chalupka über Macht und Verantwortung

„Die sich der Armen nicht annehmen, sondern zulassen, dass sie ausgebeutet und unterdrückt werden, sind falsche Hirten.“ Foto: pxhere

Michael Chalupka über Macht und Verantwortung

Der Zürcher Reformator Huldrych Zwingli, der sowohl seine Kirche als auch die Stadt Zürich zu Beginn des 16. Jahrhunderts erneuerte, hat sich selbst etwas ins Stammbuch geschrieben. Er wollte sich selbst und andere daran erinnern, um wen es eigentlich geht im Evangelium, in der Kirche und in der Politik. Er hat den Vers: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid!“ auf das Titelblatt aller seiner Schriften drucken lassen, als Leitmotiv steter Erinnerung, dass nicht vergessen werden soll, wer zu Jesus gerufen wird und wem wir alle an die Seite gestellt werden.

So sieht er darin das Unterscheidungsmerkmal für die richtige Ausübung des Pfarramts. „Die sich der Armen nicht annehmen, sondern zulassen, dass sie ausgebeutet und unterdrückt werden, sind falsche Hirten.“ Heutzutage haben das Hirtenamt, das Leitungsamt, oder anders ausgedrückt die Verantwortung, die Theologinnen und Theologen nur mehr im Bereich ihrer Kirchen. In Politik, Wissenschaft und Wirtschaft kommt dieses Amt längst anderen Frauen und Männern zu. Und das ist gut so. Doch als Unterscheidungsmerkmal taugt Zwinglis Ausspruch allemal: „Die sich der Armen nicht annehmen, sondern zulassen, dass sie ausgebeutet und unterdrückt werden, sind falsche Hirten.“ Oder wie wir es heute ausdrücken würden. Der Wert einer Gesellschaft zeigt sich daran, wie sie mit den Schwächsten unter ihren Mitgliedern umgeht.

ISSN 2222-2464

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Chalupka | Zwingli

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