11.12.2020

Evangelische Kirche: Auflagen für Beihilfe zum Suizid wichtig

Diakonie-Direktorin Moser: Überfälligen Palliativausbau endlich umsetzen

Positiv sei, dass der Verfassungsgerichtshof dem Antrag auf Legalisierung der Tötung auf Verlangen nicht stattgegeben habe, so Bischof Chalupka. Foto: epd/Windisch

Diakonie-Direktorin Moser: Überfälligen Palliativausbau endlich umsetzen

Wien (epdÖ) – In einer ersten Reaktion unmittelbar nach der mündlichen Bekanntgabe des Urteils des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) am Freitag, 11. Dezember, begrüßen Evangelische Kirche und Diakonie, dass der VfGH die Legalisierung der Tötung auf Verlangen zurückgewiesen hat. Das Urteil, das Verbot der Beihilfe zum Suizid aufzuheben, respektiere man. Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka erinnert daran, dass die evangelische Kirche immer eingetreten sei für eine „offene Diskussion über rechtliche Regelungen, die dem Gewissen Spielraum lassen und für dramatische Ausnahmefälle Möglichkeiten der Straffreiheit vorsehen“. Darüber sei der VfGH in seinem Urteil hinaus gegangen. „Damit die neue gesetzliche Regelung, die der Gesetzgeber bis 31. Dezember 2021 auf den Weg zu bringen hat, nicht unbarmherzig wird, muss sichergestellt werden, dass das Gesetz so ausgestaltet wird, dass zum einen Missbrauch unmöglich gemacht wird und es zu keiner gewerblichen Suizid-Hilfe kommt. Zum anderen muss sichergestellt werden, dass aus dem Recht auf Selbstbestimmung keine Pflicht für ÄrztInnen, eine solche Hilfeleistung erbringen zu müssen, wird.“ Darüber hinaus hofft der Bischof, dass eine gesetzliche Regelung gefunden wird, die Beihilfe zum Suizid auf die terminale Lebensphase begrenzt.

Positiv halten Evangelische Kirche und Diakonie fest, dass der VfGH betont hat, dass der Zugang zu Palliativversorgung für alle gewährleistet werden muss. Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser erinnert daran, dass es immer noch „viele Lücken“ gebe, obwohl die Parlamentarische Enquete „Würde am Ende des Lebens“ 2015 einen verbindlichen Stufenplan für den flächendeckenden Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung bis zum Jahr 2020 empfohlen habe. „Nun ist die Bundesregierung in der Pflicht, den flächendeckenden Ausbau verbunden mit einem Rechtsanspruch auf Palliativversorgung sicher zu stellen“, so Moser. Diese sei nämlich eine der besten Maßnahmen, um den Sterbewünschen zu begegnen.

„Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat auf Antrag mehrerer Betroffener, darunter zweier Schwerkranker, jene Bestimmung aufgehoben, die die Hilfeleistung zum Selbstmord unter Strafe stellt. Die bisher geltende Regelung verstoße gegen das Recht auf Selbstbestimmung, weil dieser Tatbestand jede Art der Hilfeleistung unter allen Umständen verbietet. Es sei verfassungswidrig, jede Art der Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos zu verbieten, befand der VfGH. Er leitete seine Entscheidung aus dem Recht des Einzelnen auf freie Selbstbestimmung ab. Das Verbot der Selbsttötung mit Hilfe eines Dritten könne einen besonders intensiven Eingriff in das Recht des Einzelnen auf freie Selbstbestimmung darstellen. Beruhe die Entscheidung zur Selbsttötung auf der freien Selbstbestimmung des Betroffenen, so sei dies vom Gesetzgeber zu respektieren, befand der VfGH. Da die Entscheidung zur Selbsttötung immer von ökonomischen oder sozialen Hintergründen geprägt sei, müsse der Gesetzgeber gewährleisten, dass es zu keinem Missbrauch des Rechts auf Beihilfe zur Selbsttötung komme. Weiterhin strafbar bleibt, jemanden zur Selbsttötung anzustiften, ebenso wurde dem Antrag, Tötung auf Verlangen gesetzlich zu ermöglichen, nicht stattgegeben.

Rehner: „Was bedeutet Hilfeleistung für jene, die sie gewähren sollen?“

Der steirische evangelische Superintendent Wolfgang Rehner begrüßte in einer Stellungnahme auf Facebook die Beibehaltung des Verbots einer Tötung auf Verlangen. Er wies aber zugleich auf Probleme hin, die sich durch die künftige Straffreiheit für assistierten Suizid ergäben: „Es entspricht möglicherweise dem christlichen Anliegen, Barmherzigkeit walten zu lassen. Was bedeutet diese Hilfeleistung aber für jene, die sie gewähren sollen? Für Menschen aus dem nahen Umfeld der Person, die Beihilfe beansprucht, sind die Folgen sicher nicht absehbar.“ Zudem sei die Frage offen, „ob Ärzten vorgeworfen werden kann, diese Möglichkeit gewerblich zu nutzen“.

Körtner: Keine Verhältnisse wie in den Benelux-Staaten zu erwarten

Der evangelische Theologe und Medizinethiker sieht im VfGH-Erkenntnis das Selbstbestimmungsrecht gestärkt, Verhältnisse wie in den Beneluxstaaten, wo inzwischen sogar nicht nur die Euthanasie bei andauernden Depressionen straffrei sei, erwartet Körtner für Österreich nicht. In einem Beitrag für den Wissenschaftskanal science.orf.at warnt der Theologe, dass eine Legalisierung der Tötung auf Verlangen die Tendenz habe, immer neue Rechtfertigungsgründe zu definieren und auf diese Weise den Lebensschutz auszuhöhlen.

ISSN 2222-2464

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