30.10.2003

Evangelische Impulse: Der Reformationsfestempfang

Bischof Sturm: Kirchen haben Verantwortung für Gesellschaft

Bischof Sturm: Kirchen haben Verantwortung für Gesellschaft

Wien, 30. Oktober 2003 (epd Ö) „Kirche muss sich immer verändern, und das gilt heute auch für die ganze Gesellschaft“, sagte der lutherische Bischof Mag. Herwig Sturm in seiner Rede vor den Gästen des traditionellen Reformationsempfanges am 30. Oktober in der Akademie der Wissenschaften in Wien. „Wandlung, Entwicklung und schnelle Anpassung sind dabei die Schlagworte.“ Für die Kirche könne dies nur bedeuten: „Immer zurück zur Quelle, zu Wort und Sakrament, die uns sammeln um die Kraft Gottes. Dies gelte auch für die sozialen Probleme in der Gesellschaft. In diesem Zusammenhang verwies der Bischof auf den Protest der Generalsynode der Evangelischen Kirche A. und H.B. gegen das Asyl- und Bundesbetreuungsgesetz.

Auch „Offen Evangelisch“, die Organisationsentwicklung in der Evangelischen Kirche, beschäftige sich mit der Zukunft. Immer gehe es um die Konzentration auf die Kernaufgaben, um dort „mit Sorgfalt und Liebe zu arbeiten“.

Busek kritisiert den Umgang mit Religion

„Es wird an den Christen im Osten wie im Westen liegen, ob wir Tröstung und Zuversicht für die Zukunft in Alkohol und Drogen, bei anderen Religionen oder in der schrecklichen No-Future-Perspektive suchen.“ Das erklärte der Sonderkoordinator des Stabilitätspaktes für Südosteuropa, Dr. Erhard Busek, in seinem Festvortrag. Vor zahlreichen Gästen aus Ökumene, Politik und Wissenschaft sagte Busek in seinem Vortrag zum Thema „Hat Europa einen Inhalt?“, die bisherige westeuropäische Integration sei „offenbar weder institutionell noch geistig noch emotional in der Lage, auf die Situation in Ostmitteleuropa und Südosteuropa angemessen zu reagieren, „nämlich öffnend, einbeziehend und entgegenkommend“.

Scharf kritisierte Busek den Umgang mit Religion in Ostmitteleuropa und Südosteuropa: „Jeder gläubige Christ, ob orthodox oder katholisch, sowie jeder gläubige Muslim muss sich zutiefst schämen über diese Instrumentalisierung der Religion für nationalpolitische Zwecke“. Der liberale Verfassungsstaat in der säkularisierten Gesellschaft sei, so Busek, darauf angewiesen, dass die freien gesellschaftlichen Kräfte und religiösen Institutionen Werte vermitteln. In diesem Zusammenhang nannte Busek die Werte Ehrlichkeit, Nächstenliebe, Fremdenliebe, Solidarität mit den Schwachen und Altruismus.

Busek erinnerte auch daran, dass jede gemeinsame Glaubensüberzeugung auch öffentlich werden wolle. Diese Öffentlichkeit liege im Interesse eines religiös neutralen Staates.

Hoffnung auf ein Europa der Fremdenfreundlichkeit

Die Landesbischöfin der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers, Dr. Margot Käßmann, sprach in ihrem Vortrag „Evangelische Impulse für Europa“ die Hoffnung auf „ein Europa der Fremdenfreundlichkeit, des Friedens und der Gerechtigkeit“ aus. Da Europa von der Reformation als einem „fundamentalen geschichtlichen Vorgang“ beeinflusst wurde, hält sie es für „Geschichtsvergessenheit“, dass in der Präambel der europäischen Verfassung nicht konkret die jüdisch-europäischen Wurzeln Europas, sondern nur allgemein kulturelle, religiöse und humanistische Überlieferungen genannt werden. Deshalb würden Protestanten nach Meinung von Käßmann gut daran tun, „evangelische Impulse“ in Europa zu setzen. Dabei denke sie an eine auf europäischer Ebene stärker formierte Leuenberger Kirchengemeinschaft und evangelische Politiker.

Im Zuge des allgemeinen religiösen Booms quer durch alle Medien gehe es, so die Bischöfin der größten deutschen Landeskirche, heute in Europa darum, „glaubwürdig von Gott zu reden.“ Käßmann erinnerte daran, dass „der biblische Maßstab der Gerechtigkeit immer die Situation des schwächsten Gliedes der Gemeinschaft ist.“ Auf Gerechtigkeit müssten die evangelischen Kirchen in Europa ebenso in der Frage der Würde des Menschen und der Bewahrung der Schöpfung drängen.

Musikalisch umrahmt wurde der Reformationsfestempfang vom Bläserquintett „Brassissimo“, vom „Chorus Musica Sacra“ unter der Leitung von Univ. Prof. Alfred Endelweber und dem Kinderchor „Die Ohrwürmer“ unter Leitung von Sabina Stiller. Bei dem anschließenden Buffet präsentierte die Evangelische Kirche in Niederösterreich das Bauprojekt der Kirche in Waidhofen an der Thaya und informierte über die Arbeit des Laura Gatnar Hauses für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Hirtenberg.

ISSN 2222-2464

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