02.09.2009

Evangelisch pilgern: „Auf dem Weg sein und unbehaust Heimat finden“

In Gosau begaben sich die evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer aus ganz Österreich auf den "Weg des Buches"

In Gosau begaben sich die evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer aus ganz Österreich auf den „Weg des Buches“

Gosau (epd Ö) – „Die Kirchen werden leerer und die Pilgerwege voller.“ Für Klaus Stemmann, den Leiter des Bereiches Kirche und Tourimus in der lutherischen Landeskirche in Hannover, ist diese Diagnose kein Grund zur Resignation. Im Gegenteil: Stemmann sieht im Pilgerboom eine „große missionarische Chance“. Bei der gesamtösterreichischen Tagung der evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer in Gosau berichtete der Theologe und Pilgerexperte am Dienstag, 1. September, von seinen Erfahrung mit dem Pilgerweg von Loccum nordwestlich von Hannover nach Volkenroda in Thüringen. Vom österreichischen „Weg des Buches“, der im Zentrum der diesjährigen PfarrerInnentagung stand, zeigte sich Stemmann beeindruckt, vor allem der Aspekt der Bildung komme hier nicht zu kurz, was letztlich auch die hohe Akzeptanz der begleitenden Bücher zum Weg dokumentiere.

Grundsätzlich habe Kirche dort präsent zu sein, „wo Menschen sind“. Das erfordere auch entsprechende Angebote: „Menschen kehren auf dem Pilgerweg in die Kirche ein, klopfen an die Tür des Pfarrhauses und reklamieren Gastfreundschaft.“ Mitunter eine beträchtliche Herausforderung für die Pfarrerinnen und Pfarrer vor Ort, berichtete Wolfgang Rehner, Pfarrer in der Ramsau, im „Herzen“ des österreichischen Pilgerwegs. Auch wenn der Alltag nun immer wieder von den Erwartungen der Pilger bestimmt würde, den Weg des Buches hält Rehner für eine „geniale Idee“.

„Dem Volk auf die Füße schauen“

Die Motive der Pilger seien höchst unterschiedlich, berichtete Stemmann, hier gebe es alles – vom „reinen Touristen bis zum reinen Pilger“, mit allen Stufen dazwischen. Kirchen sollten diese Vielfalt akzeptieren und auf dem Weg „Glaube erleb- und erfahrbar machen“. Dabei komme der Zusammenarbeit mit den Akteuren vor Ort – von ehrenamtlichen Teams bis zu den Tourismusverantwortlichen – hohe Bedeutung zu. Pilgern selbst definierte Stemmann als „unterwegs sein und unbehaust Heimat finden“. In Abwandlung des bekannten Lutherwortes gelte es heute, „dem Volk auf die Füße zu schauen“. So könnten Pilgerwege zu „Emmauswegen“ werden, ein Weg, „auf dem Christus der Wegbegleiter ist“. Von den positiven Auswirkungen auf die Region konnte die Kärntner Touristikerin Elisabeth Nadrag berichten. Ihrer Initiative ist es zu verdanken, dass ein alter Weg der Bibelschmuggler in der Region Weißensee nun ein attraktives Element im gesamten Konzept des Weitwanderweges darstellt. In Gosau selbst hat der frühere Kurator der Pfarrgemeinde bereits seit Jahren Wanderungen auf den Spuren des Geheimprotestantismus angeboten. Nun sind die Wanderungen in den „Weg des Buches“ integriert und werden stark nachgefragt, berichtete Altkurator Franz Lechner. „Der Weg des Buches muss leben“, sagte der Wanderführer Helmut Kaindl, der den Weg von Passau bis in die Ramsau erwandert hat. Nun gehe es vor allem darum, den Weg in Zusammenarbeit mit den Tourismusverbänden bekannt zu machen. Dazu hilft auch ein „Pilgerstammtisch“ in Wien, den Arnhild Krump von der Christuskirche ins Leben gerufen hat. Regelmäßig treffen sich dort Pilgerinnen und Pilger und tauschen ihre Erfahrungen aus, erzählte Krump. Vom „ungeheuren Potential“ des evangelischen Pilgerwegs zeigte sich Volker Toth beindruckt. In seinem Verlag sind die drei begleitenden Bücher zum Weg erschienen. Neben den Informationen zur Route, zur Geschichte und einem Bibelleseplan soll es künftig auch einen Band mit Liedern und Segensgebeten geben.

Moderiert wurde die Podiumsdiskussion bei der PfarrerInnentagung von Margit Leuthold, die bis vor kurzem das Projekt „Weg des Buches“ geleitet hat. Die Bibelschmugglerpfade in der Dachsteinregion begeisterten offensichtlich auch die Pfarrerinnen und Pfarrer: Bischof Michael Bünker und sein Organisationsteam konnten zur Tagung rund 150 Personen aus ganz Österreich begrüßen. Teilgenommen haben Pfarrerinnen und Pfarrer, zum Teil mit ihren Familien, aus der evangelisch-lutherischen, der reformierten und der methodistischen Kirche.

ISSN 2222-2464

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