17.06.2020

Ethikunterricht: Dekane vermissen Theologie als Bezugswissenschaft

Religionen können „nicht ohne ihre Theologien verstanden“ werden

Theologie liefere „einen wichtigen wissenschaftlichen Beitrag für einen Diskurs in einer wertepluralistischen Gesellschaft“, so die Dekane. Foto: wikimedia/cc by s.a 4.0/Mitarbeiterin Dekanat

Religionen können „nicht ohne ihre Theologien verstanden“ werden

Wien (epdÖ) – Die Dekane der österreichischen theologischen Fakultäten begrüßen prinzipiell den Ende Mai vorgelegten Gesetzesentwurf zum Ethikunterricht und damit das Modell eines Ethikunterrichts als alternatives Pflichtfach. Zugleich üben sie in einer Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf Kritik daran, dass die Theologie als Bezugswissenschaft für den Ethikunterricht ausgespart werde. Das sei ein Zeichen für Abgrenzung statt Kooperation. „Wir fordern daher, ‚Theologie‘ explizit als Bezugswissenschaft in den Gesetzestext aufzunehmen“ und neben den im Gesetzesentwurf genannten Fächern wie Psychologie, Soziologie, Religionswissenschaft etc. eigens anzuführen.

Lob seitens der Dekane gibt es dafür, dass der Wert des konfessionellen Religionsunterrichts ausdrücklich benannt werde: „Es wird darin sowohl die wichtige Bildungsaufgabe des bestehenden konfessionellen Religionsunterrichts wie auch die Notwendigkeit einer umfassenden ethischen Bildung aller Schülerinnen und Schüler durch den alternativen Ethikunterricht festgehalten.“

Theologie „wichtiger Beitrag für Diskurs in wertepluralistischer Gesellschaft“

Die Tatsache jedoch, dass Religionen „nicht ohne ihre Theologien verstanden“ werden können, ziehe nach sich, dass neben der Religionswissenschaft auch die Theologie in einem ausgewogenen Konzept eines Ethikunterrichts Beachtung finden müsse: „Theologien unternehmen die wissenschaftlich multidisziplinäre, kritische Reflexion der jeweiligen Religion aus einer Innenperspektive heraus. Damit stellen sie einen wichtigen wissenschaftlichen Beitrag für einen Diskurs in einer wertepluralistischen Gesellschaft dar.“

Zudem verweisen die Dekane darauf, dass die Theologie auch für eine philosophische Ethik eine selbstverständliche wichtige Bezugswissenschaft darstellt – schließlich könne die Theologie dazu beitragen, dass im Diskurs zwischen „säkularistischen und religiös-fundamentalistischen Gruppen“ Fronten aufgebrochen werden: „Philosophie und Theologie haben eine lange und erfolgreiche Tradition des Dialogs. In der aktuellen christlichen Theologie wird zudem Ethik nicht als Anwendung dogmatischer Aussagen betrieben, sondern auf der Basis philosophischer Vernunft; damit ist die Diskursfähigkeit in den säkularen Raum wesentliches Element auch der religiösen Ethik.“ Entsprechend sei die Theologie bzw. seien die theologischen Fakultäten auch seit vielen Jahren maßgeblich in der Ausbildung von Ethiklehrerinnen und -lehrern sowie bei der Entwicklung von Curricula involviert.

Unterzeichnet wurde die Stellungnahme von Rudolf Leeb, Dekan der evangelisch-theologischen Fakultät in Wien, sowie von den Dekanen der katholisch-theologischen Fakultäten, Johann Pock (Wien), Christoph Heil (Graz), Josef Quitterer (Innsbruck), Christoph Niemand (Linz) und Alois Halbmayr (Salzburg).

Die Eckpfeiler des Gesetzesentwurfs

Das Fach Ethik soll laut Gesetzesentwurf für jene Schülerinnen und Schülerinnen als Pflichtfach eingeführt werden, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen. Dieses Modell lief bislang an zahlreichen Standorten als Schulversuch und soll nun ab der neunten Schulstufe in den Regelbetrieb übernommen werden – beginnend mit 2021. Für alle Schülerinnen und Schüler an AHS-Oberstufen, BMHS, Berufsschulen und Polytechnischen Schulen soll das Regelwerk ab dem Schuljahr 2025/26 gelten.

ISSN 2222-2464

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