21.03.2007

Erste ökumenische Fachtagung über Maria

In Mariazell diskutierten die Vertreter der Mitgliedskirchen des Ökumenischen Rates über die Bedeutung der biblischen Maria für die Einheit der Kirchen

In Mariazell diskutierten die Vertreter der Mitgliedskirchen des Ökumenischen Rates über die Bedeutung der biblischen Maria für die Einheit der Kirchen

Mariazell (epd Ö) – Die Bedeutung Marias für die Einheit der Christinnen und Christen stand im Mittelpunkt der Ökumenischen Fachtagung in Mariazell, die am Sonntag, 18. März, von Bischof Herwig Sturm und Bischof Egon Kapellari eröffnet wurde. Die Fachtagung verstand sich auch als weitere Etappe auf dem Weg zur Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung. So waren unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch zahlreiche Delegierte, die im September die österreichischen Kirchen bei der großen Versammlung in Sibiu/Hermannstadt vertreten werden.

 

Sturm und Kapellari erklärten übereinstimmend, dass die Tagung in Mariazell ein wichtiger ökumenischer Schritt und zugleich auch eine große Herausforderung für die Kirchen im Land sei. Es gelte, gemeinsam in der Bibel zu lesen, was diese über Maria sagt. Wie Sturm betonte, stehe Mariazell bislang für evangelische Christinnen und Christen auch als Symbol einer triumphalistischen Form der Marienverehrung, die als Machtsymbol und als Symbol des Sieges über den Protestantismus missbraucht worden sei. Dem gelte es nun einen „positiven ökumenischen Fußabdruck“ entgegenzusetzen und Maria tatsächlich als Bild für eine dienende Kirche und als eine die Kirchen verbindende Gestalt anzunehmen. Sturm drückte seine Hoffnung aus, dass dies auch zu mehr Einheit der Kirchen in Europa führen werde.

 

Bischof Kapellari unterstrich in seinen Ausführungen, dass gerade die Gnadenstatue von Mariazell auf das Jesuskind verweise. „Maria macht auf Jesus aufmerksam. Das ist auch die Aufgabe für alle Kirchen und Christen: Den Menschen Christus zeigen“, sagte der steirische Bischof wörtlich. Heute stelle sich wieder – wie schon in den ersten Jahrhunderten – die grundlegende Frage nach Gott und Christus, so Kapellari, der sich gegen ein „Christentum des aufgeklärten Verstandes“ aussprach, in dem nur mehr „Jesus der Mensch“ übrig bleibe.

 

Gerade in der Marienfrömmigkeit könnten die Kirchen noch viel voneinander lernen, zeigte sich auch Weihbischof Helmut Krätzl überzeugt. Alle Konfessionen gemeinsam müssten auf Maria schauen, „die uns Jesus zeigt“. Mit Maria gemeinsam sollten sich alle Pilger aufmachen, „um den Herrn zu suchen“. Die Gottesmutter weise allen Christen den Weg, so Krätzl und weiter wörtlich: „Wir wissen uns eins in der Marienverehrung, dass Maria Vorbild ist im Glauben; wir wissen uns eins, dass Maria Vorbild ist im Gebet.“

 

Unterschiedliche Zugänge

 

Der Grazer Dogmatiker Prof. Bernhard Körner, der niederösterreichische evangelische Superintendent Paul Weiland und der Grazer orthodoxe Theologe Prof. Grigorios Larentzakis stellten die Grundzüge der jeweiligen Zugänge der Konfessionen zu Maria dar. Wie Körner ausführte, habe sich das spezifisch katholische mariologische Profil erst in den Jahren von 1850 bis 1950 herausgebildet. Dabei habe sich Maria aus dem christologischen und kirchlichen Zusammenhang gelöst und sei für sich alleine gesehen worden. Diese Entwicklung sei dann aber mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil zu ihrem Ende gekommen, indem das Konzil wieder verstärkt auf die Heilige Schrift zurückgegriffen habe, für Körner „kein Ende der Marienfrömmigkeit, sondern bloß eine Weiterentwicklung“. Nicht zuletzt spiele Maria auch in der Befreiungstheologie und der feministischen Theologie eine Rolle.

 

Weiland: Gegen dogmatische Verherrlichung

 

In den evangelischen Kirchen spiele die Marienverehrung in der Praxis keine Rolle, bekräftigte Weiland. In den Auseinandersetzungen der Reformationszeit werde deutlich, dass eine große Gefahr darin gesehen werde, „dass Maria etwas zugedacht wird, was eigentlich Christus allein vollbringt“. Luther habe die Vorstellung von Maria als Himmelskönigin sowie als Mittlerin entschieden abgelehnt, während er für die biblische Gottesmutter eine Verehrung gefordert habe. Zwingli habe die Marienverehrung akzeptiert, soweit sie biblisch begründet ist. Im Protestantismus durchgesetzt habe sich letztlich die radikalere Position Calvins, der jede evangelische Marienverehrung als „Götzendienst“ bekämpft habe. Evangelische Kritik richte sich heute gegen eine dogmatische Verherrlichung der Maria, hinter der sich letztlich eine dogmatische Verherrlichung der Kirche verstecke, wodurch die zentrale Stellung Christi überdeckt werde. Weiland: „Die päpstlichen Erklärungen über Maria halten Schritt mit einer immer größeren Machtkonzentrierung auf den Papst, in dem sich die Macht der Kirche identifiziert.“

 

Die zentrale Bedeutung Marias für die orthodoxe Christenheit unterstrich Prof. Larentzakis. Auch wenn die Orthodoxie die Mariendogmen von 1854 und 1950 nicht kennt, sei die Marienverehrung ein wesentlicher Bestandteil des orthodoxen christlichen Lebens. Die Gottesmutter stehe an erster Stelle der Heiligen und nehme als Fürbitterin einen wichtigen Platz ein. Sie sei aber natürlich weder Mittlerin zwischen Christus und den Menschen noch Miterlöserin. Auch dürfe es bei der Marienverehrung nicht um Anbetung gehen. Diese komme nur Christus zu. Jede Marienverehrung müsse daher Christus als Grundlage haben, unterstrich Larentzakis. Er verwies weiters auch auf den jüngsten Besuch von Patriarch Bartholomaios I. in Mariazell, wo das Oberhaupt der Orthodoxie von der großen Bedeutung Marias für die Ökumene gesprochen hatte.

 

P. Karl Schauer, Superior von Mariazell, berichtete in seinen Ausführungen von einigen Aspekten des aktuellen Wallfahrtswesens. So sei zu beobachten, dass die Wallfahrten immer mehr von Laien getragen würden. Auch würden sich viele Menschen nach Mariazell „verirren“, die der Kirche sonst eher distanziert gegenüberstehen. Er wies auch darauf hin, dass das steirische Marienheiligtum für Ostösterreich und die angrenzenden Länder eine besonders große Bedeutung habe.

 

Evangelisch im Mariazellerland

 

Obwohl Mariazell weithin als katholischer Wallfahrtsort bekannt ist, gibt es im Mariazellerland auch eine sehr aktive evangelische Gemeinde. Deren Pfarrerin Birgit Lusche hob das „sehr gute ökumenische Klima“ hervor. Zu vielen Pfarrern in der Region, wenn auch nicht zu allen, gebe es ausgezeichnete Kontakte und deshalb auch viele gemeinsame Aktivitäten. Lusche berichtete über die Anfänge des evangelischen Lebens im Mariazellerland Anfang des 18. Jahrhunderts, als Holzknechte und deren Familien aus der Dachsteinregion ins Land kamen. Anfangs noch verfolgt und unterdrückt, konnten sich die evangelischen Christinnen und Christen seit dem Toleranzpatent von Kaiser Joseph II. frei entfalten. In den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts wurde die evangelische Gemeinde offiziell gegründet und seither zeichne laut Lusche die evangelischen Christinnen und Christen in der Region auch eine außerordentliche „Beharrlichkeit und Standhaftigkeit“ aus. Die besondere Zuwendung der Kirche gelte dabei den Kindern und Jugendlichen, so die evangelische Pfarrerin weiter.

 

Das Mariazeller Symposion, zu dem ein Großteil der Sibiu-Delegierten aller Kirchen in Österreich gekommen waren, konnte auch mit einer Premiere aufwarten: Erstmals predigte mit Altsuperintendent Helmut Nausner ein Methodist im Rahmen eines ökumenischen Gottesdienstes bei der Gnadenkapelle. Nausner sprach dabei auch von einem äußerst wichtigen Signal für alle Kirchen und der großen ökumenischen Chance, gemeinsam die Heilige Schrift zu lesen.

 

ISSN 2222-2464

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