03.06.2019

Entsetzen über zerstörte Porträts von NS-Opfern

Bünker: Schlag ins Gesicht der Überlebenden – Hennefeld: Ausdruck menschenverachtender Gesinnung - Fakultät: "Widerspruch gegen eine solche Niedertracht" - Scheuer: Dahinterstehende Geisteshaltungen aufdecken

Bünker: Schlag ins Gesicht der Überlebenden – Hennefeld: Ausdruck menschenverachtender Gesinnung – Fakultät: „Widerspruch gegen eine solche Niedertracht“ – Scheuer: Dahinterstehende Geisteshaltungen aufdecken

Wien/Linz (epdÖ) – Die Zerstörung von Porträtfotos von NS-Opfern auf der Wiener Ringstraße hat bei mehreren Vertretern der Kirchen Entsetzen ausgelöst. Die Aktion sei „erschütternd und verwerflich“ so der Linzer römisch-katholische Bischof Manfred Scheuer gegenüber „Kathpress“. Die NS-Opfer würden dadurch gleichsam „nochmals ermordet und sollen aus dem mahnenden Gedächtnis gelöscht werden“. Es sei beschämend, dass so etwas in Österreich passieren kann. Bischof Scheuer ist in der Österreichischen Bischofskonferenz u.a. für die Kontakte zum Judentum zuständig. Es sei weiters notwendig, an die Wurzel „solch abscheulicher Handlungen zu gehen“ und die Geisteshaltungen aufzudecken, die dahinterstehen, forderte der Bischof.

Es sei „empörend dass das zum dritten Mal passiert, und dass niemand in der Lage ist, das zu verhindern“, sagte der lutherische Bischof Michael Bünker gegenüber dem Evangelischen Pressedienst. Der Vorfall reihe sich ein in die zunehmende Zahl von antisemitischen Vorfällen. Dies sei auch „ein Schlag ins Gesicht der Überlebenden und aller Opfer der NS-Verbrechen“, so Bünker.

Der Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), Landessuperintendent Thomas Hennefeld, berichtet von „tief betroffenen“ Reaktionen aus allen Mitgliedskirchen. „Es schmerzt mich zutiefst, die zerschnittenen Porträts der NS-Opfer sehen zu müssen. Ich bin erschüttert über die Zerstörungswut und den Hass, von dem die Täter wohl geleitet waren und verurteile diese neuerlichen Vandalenakte aufs Schärfste“, so der ÖRKÖ-Vorsitzende. Die Zerstörung sei „Ausdruck einer menschenverachtenden Gesinnung, die in den letzten Wochen und Monaten in unserem Land immer stärker um sich gegriffen hat“. Umso mehr begrüße er die Einrichtung einer Mahnwache, so Hennefeld, „vor allem auch die Beteiligung der Muslimischen Jugend Österreichs, die sich in den letzten Monaten intensiv mit Antisemitismus auseinander gesetzt hat“. Die Kirchen sollten alle Anstrengungen unternehmen, ein gesellschaftliches Klima des Respektes zu fördern und auch schon dem Aufkeimen von Antisemitismus und Rassismus offensiv entgegenzutreten.

Martin Jäggle, Präsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, sprach in einer ersten Stellungnahme von „Antisemitismus übelster und desaströsester Sorte“. Der Angriff richte sich nicht nur gegen die Opfer sondern auch gegen die Gedenkkultur und gegen die Humanität der Gesellschaft. „Mit dieser Aktion ist der Grundwasserspiegel der Humanität unserer Gesellschaft wieder abgesenkt worden“, so Jäggle wörtlich.

Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, meldete sich via Twitter zu Wort: „Die Antisemiten schreiten vom Wort zur Tat“, so seine Warnung. Verurteilungen reichten nicht aus, „es braucht spür- und sichtbare Konsequenzen“, so Deutsch.

Fakultät: Solidarität vieler weckt Hoffnung auf größeren Widerspruch

„Bestürzt und entsetzt“ reagiert auch die Evangelisch-theologische Fakultät der Universität Wien. „Wir bedauern außerordentlich, dass Mahnwachen notwendig sind, um die Würde und das Ansehen der ausgestellten Personen zu schützen. Dieses Engagement und diese Solidarität vieler Menschen weckt aber auch eine Hoffnung auf größeren Widerspruch gegen eine solche Niedertracht“, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme. Aus der historischen Verantwortung heraus sei es notwendig, die Erinnerung an die menschen- verachtende Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus lebendig zu halten und deren Opfern ein Gesicht zu geben. Ein Antisemitismus, der sechs Millionen ermordete Juden mit der Hinrichtung Jesu aufwiegt und durch Hakenkreuze signiert, „bedient sich altbekannter Stereotype, die Vernichtung der Juden als Strafe für ihren angeblich begangenen Gottesmord zu legitimieren“, unterstreicht die Fakultät und fordert: „Es darf nicht sein, dass diese unhistorischen Anschuldigungen noch immer aufgegriffen werden, um Menschen aufzuhetzen sowie Gewalt, Hass und menschenverachtende Zerstörung zu rechtfertigen!“

Der Fotograf der Ausstellung, Luigi Toscano, schrieb auf Facebook: „Ich bin einfach nur sprachlos, schon wieder gab es ein Anschlag auf meine Bilder. Österreich was ist los mit dir???? Weder die Polizei noch das Österreichische Innenministerium sind in der Lage Schutz zu leisten.“

Die Porträts wurden bereits zum dritten Mal zerstört. Erst in der Vorwoche wurden Teile der Ausstellung mit Hakenkreuzen beschmiert. Bereits einige Tage nach der Ausstellungseröffnung wurden mehrere Porträts mit Messern beschädigt.

ISSN 2222-2464

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