13.03.2022

Du fehlst mir

Julia Schnizlein über schlechte Zeiten – und gute

"Im Nachhinein ist man immer klüger. Wenn ein geliebter Mensch fehlt. Oder der Frieden verloren geht." Foto: wikimedia/cc by sa 3.0/K. Magnus Ornhammer

Julia Schnizlein über schlechte Zeiten – und gute

Wie sehr man etwas vermisst, merkt man meist erst dann, wenn es nicht mehr da ist. Viele Menschen in Österreich nutzen momentan die Fastenzeit, um bewusst auf Süßigkeiten, Alkohol, Fleisch, Fernsehen oder Soziale Medien zu verzichten. Und es wird ihnen dadurch erst bewusst, welch wesentlichen Bestandteil ihres Alltags diese Dinge einnehmen.

Süßigkeiten und Fleisch lassen sich zurückholen. Liebe Menschen nicht. Auch bei Menschen merkt man oft erst dann, was sie einem bedeutet haben, wenn sie (für immer) fort sind.
Wenn die andere Seite des Bettes plötzlich leer bleibt, der Esstisch einsam und das Wohnzimmer seltsam fremd – wenn der Mantel an der Garderobe erinnert: da war doch wer, einer, der immer da war, selbstverständlich, verlässlich. Unvorstellbar, dass er fort ist! Das sind die Momente, in denen der Schmerz des Verlusts besonders brutal zuschlägt.

Ähnlich ist es momentan mit dem Frieden in Europa. Ich selbst bin mit ihm aufgewachsen. Er war einfach immer da. Ich konnte mich auf ihn verlassen, dachte ich. Unvorstellbar, dass der Frieden jemals aufhören könnte. War es naiv, so zu leben, als hätte das gute Leben kein Ende? Vielleicht.
Schon in der Bibel steht, dass Alles seine Zeit hat und haben wird. Dort heißt es:

Geborenwerden hat seine Zeit,
und Sterben hat seine Zeit; …
Zerstören hat seine Zeit, und Bauen hat seine Zeit.
Weinen hat seine Zeit, und Lachen hat seine Zeit;
Umarmen hat seine Zeit,
und sich der Umarmung enthalten hat auch seine Zeit.
Lieben hat seine Zeit,
und Hassen hat seine Zeit;
Krieg hat seine Zeit,
und Friede hat seine Zeit.

Wir hätten es wissen können. Das sagt sich im Nachhinein immer leicht. Im Nachhinein ist man immer klüger. Wenn ein geliebter Mensch fehlt. Oder der Frieden verloren geht. Tröstlich ist es nicht. Aber es hilft uns vielleicht, die Gegenwart und Zukunft besser zu gestalten. Zu wissen, dass alles vergänglich ist, hilft das Gute zu würdigen, zu hüten und zu pflegen.

Zu wissen, dass andere Zeiten kommen werden, hilft aber auch, die schlechten Zeiten besser zu ertragen. Denn es gibt die berechtigte Hoffnung, dass Frieden wieder seine Zeit haben wird. Genau wie Lachen, sich umarmen und lieben. Jetzt ist die Zeit für beten, helfen und spenden.

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@juliandthechurch

ISSN 2222-2464

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Schlagworte

Frieden | Schnizlein | Ukraine

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