Die Wüste weint
Michael Chalupka über Sehnsüchte und Hoffnungen in der Adventzeit
Michael Chalupka über Sehnsüchte und Hoffnungen in der Adventzeit
Ein Beduine, so geht die Legende, kniete jeden Tag in der Wüste nieder, legte sein Ohr auf den heißen Sand und lauschte. Verwundert fragte ihn ein Tourist: „Was machst Du da?“ „Ich höre der Wüste zu!“ „Du hörst der Wüste zu?“ „Ja“, antwortet der Beduine. „Ich höre die Wüste weinen, sie möchte ein Garten sein.“ Eine Geschichte, ob gut erfunden oder erlebt, die die Sehnsucht und die Hoffnung ausdrückt einmal ganz anders zu sein, anders werden zu wollen, als wir sind, anders zu leben, als wir es tun.
Am Sonntag, 1. Dezember, beginnt der Advent, die Zeit der Erwartung der Geburt Jesu. Viele zünden die erste Kerze am Adventkranz an und freuen sich am tröstlichen Licht in dunklen Zeiten, andere stecken Barbarazweige in die Vase und hoffen auf neue Blüten mitten im Winter. Doch die Wüste weint leise und Knospen brechen unhörbar aus dem Holz. Wir müssen uns Zeit nehmen und ganz Ohr sein, um unsere eigenen Sehnsüchte und Hoffnungen zu vernehmen.
Dabei ist es hilfreich, nicht nur der eigenen ganz privaten Hoffnung nachzuspüren, sondern das gemeinsam mit anderen zu tun. Seine eigene Welt zu verlassen und ungewohnte Wege zu beschreiten kann eine schöne Übung im Advent sein. Dadurch können wir selbst zu Hoffnungsträgern werden. Wie es in einem Lied heißt, das gerne in den Gottesdiensten gesungen wird. „Wo ein Mensch Vertrauen gibt, nicht nur an sich selber denkt, fällt ein Tropfen von dem Regen, der aus Wüsten Gärten macht.“
ISSN 2222-2464