30.01.2021

Die Seele nimmt Schaden

Michael Chalupka über eine inszenierte Abschiebung

"Niemand glaubt wirklich, dass Hundestaffeln und Eliteeinheiten notwendig sind, um eine Frau mit ihren Kindern in ein Flugzeug zu setzen." Foto: wikimedia/metropolico.org/cc by sa 2.0

Michael Chalupka über eine inszenierte Abschiebung

Viele müssen sich jetzt Kritik gefallen lassen, weil sie ihre Stimme gegen die martialische Abschiebung von Kindern mitten in der Nacht zu spät, zu leise oder nicht erhoben haben. Darunter Vertreter von Parteien, Kirchen, der Bundespräsident. In der Bibel heißt es: „Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind.“

Die Abschiebung war inszeniert. Niemand glaubt wirklich, dass Hundestaffeln und Eliteeinheiten notwendig sind, um eine Frau mit ihren Kindern in ein Flugzeug zu setzen und in ein Land zu bringen, das die Kinder, die hier in die Schule gehen, nicht kennen. Die Proteste werden zum Teil der Inszenierung gemacht, ebenso wie die prompt folgenden Meinungsumfragen, die suggerieren, dass es sich politisch lohnt, Härte gegen Kinder zu zeigen – egal ob sie hier geboren sind oder auf den griechischen Inseln im Dreck leben müssen. Politiker, die beteuern, sich nur schweren Herzens für die Grausamkeit zu entscheiden, wissen die Härte in Wählerstimmen aufgewogen.

Die Stimmen, die sich für Menschlichkeit einsetzen, sind deswegen manchmal zurückhaltend und müde. Die Evangelische Kirche fordert seit 2008 Bleiberecht für Menschen, die länger als fünf Jahre in Österreich sind. Sie wird das weiter tun, konsequent, aber auch immer wieder unzulänglich. Denn wer die Werte, die er für sich selbst beansprucht, bei anderen mit Füßen tritt, nimmt Schaden an seiner Seele.

ISSN 2222-2464

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