14.04.2022

Diakonie unterstreicht hohen gesellschaftlichen Wert von Pflege und Betreuung

Moser: Personaloffensive hat Priorität

"Care-Arbeit geht weit über körperliche Versorgung hinaus, sie erfordert ein hohes Maß an Beziehungsarbeit", sagt Johannes Strasser bei der Diakonie-Pressekonferenz gemeinsam mit Maria Katharina Moser und Elke Birklbauer. Foto: Diakonie

Moser: Personaloffensive hat Priorität

Wien (epdÖ) – Unter dem Motto „Karwoche ist Care-Woche“ rückt die Diakonie den Wert und die gesellschaftliche Notwendigkeit von Sorgearbeit ins Zentrum: „Pflegen, erziehen, betreuen, versorgen, trösten – diese Tätigkeiten sind das Schmiermittel, das unsere Wirtschaft und Gesellschaft am Laufen hält“, betonte Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser bei einer Pressekonferenz am Gründonnerstag in Wien. „Stellen wir uns vor, was passieren würde, wenn die vielen Frauen und zunehmend mehr Männer aufhören, Kinder zu betreuen, Menschen im Alter zu pflegen oder Menschen mit Behinderungen zu assistieren“, fragt Moser. Dennoch bekomme die Care-Arbeit „nicht die gesellschaftliche Wertschätzung, die sie verdient“. Gleichzeitig kritisiert die Diakonie-Direktorin, dass sich in Sachen Pflegereform nichts bewege.

In Österreich hängt unbezahlte Sorgearbeit zu zwei Drittel an den Frauen. Würde die weltweit unbezahlt geleistete Sorgearbeit mit Mindestlohn bezahlt, entspreche das jährlich 11 Billionen US Dollar, rechnet die Diakonie vor. In Österreich mache die unbezahlte Arbeit umgerechnet 105 Milliarden Euro im Jahr aus (etwa 30 Prozent des BIP).

Individuelle Begleitung und selbstbestimmtes Leben

Für Johannes Strasser, Hausleitung einer Pflegeeinrichtung der Diakonie für Menschen im Alter, ist eine individuelle Begleitung ebenso maßgeblich wie höchstmögliche Lebensqualität und ein Wohnumfeld, in dem sich die betreuten Menschen wohlfühlen. „Uns ist es wichtig, Menschen im Alter so zu begleiten, dass sie ein gutes, selbstbestimmtes Leben führen können. Das bedeutet zum Beispiel, Bewohner*innen zu unterstützen, ihre persönlichen Fähigkeiten so lange wie möglich zu erhalten“, sagt Strasser.

Selbstbestimmung und Autonomie sind auch die leitenden Prinzipien in der Begleitung von Menschen mit Behinderungen. „Es geht darum Bedürfnisse gut zu erkennen und zu fördern“, meint Elke Birklbauer, Leiterin einer Wohneinrichtung der Diakonie für Menschen mit Behinderungen. Gerade in der Begleitung von Bewohner*innen, die ihr Bedürfnisse nicht äußern können, sei oft Kreativität gefragt.

Gute Pflege und Betreuung brauchen Zeit

Genug Zeit sei eine professionelle Anforderung an Sorge-Arbeit, sind sich Strasser und Birklbauer einig. Denn: „Care-Arbeit geht weit über körperliche Versorgung hinaus. Sie bedeutet ganzheitliche Begleitung und erfordert ein hohes Maß an Beziehungsarbeit. Genau das macht den Beruf auch so spannend“, erklärt Johannes Strasser. Und Elke Birkelbauer ergänzt: „Gute Pflege und Betreuung heißt für mich, am Ende des Tages nach Hause zu gehen und das Gefühl zu haben, alle Bewohner*innen so begleitet zu haben, wie sie es brauchen.“

Doch gerade Zeit ist im aktuellen System ein knappes Gut. Strasser ist schon seit vielen Jahren in der Pflege tätig und berichtet, dass die Belastungen zugenommen haben – nicht erst durch Corona: „Die Anforderungen sind angestiegen, wir begleiten zum Beispiel mehr Personen mit Demenz. Leider steht uns dafür aber nicht mehr Personal zur Verfügung. Die Personalschlüssel sind seit Jahrzehnten nicht angepasst worden.“

Ausbildungsfonds rasch umsetzen

Bessere Personalschlüssel sind eine zentrale Forderung, doch schon jetzt kämpft der soziale Sektor mit Personalmangel. Bis 2030 werden in Österreich 80.000 bis 100.000 zusätzliche Pflege- und Betreuungskräfte gebraucht, heißt es von der Diakonie. Eine Personaloffensive sei daher prioritär, unterstreicht Diakonie-Direktorin Moser und drängt auf eine rasche Umsetzung des angekündigten Ausbildungsfonds. Neben der Übernahme der Ausbildungskosten fordert die Diakonie ein Ausbildungsgehalt, um allen Interessierten eine Ausbildung in Pflege- und Betreuungsberufen zu ermöglichen. „Solange die Ausbildung nicht für alle leistbar ist, brauchen wir uns über den Personalmangel in Pflege und Betreuung nicht zu beschweren“, meint Moser.

Hintergrund: Karwoche ist Care-Woche

Die Vorsilbe „Kar“, die wie eine Überschrift über der Woche vor dem Osterfest steht, kommt vom Althochdeutschen „Kara“ – Klage, Trauer, Sorge, das verwandt ist mit dem Englischen care – sorgen, fürsorglich sein, Sorgearbeit leisten. Die Diakonie greift diesen Zusammenhang auf und ruft dazu auf, am Karfreitag den Wert der Sorgearbeit in den Blick zu nehmen.

ISSN 2222-2464

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Schlagworte

Diakonie | Pflege | Moser

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