21.01.2015

Diakonie: Recht auf Leben bedeutet nicht Pflicht zum Leben

Keine Verankerung des Verbots der Tötung auf Verlangen in der Verfassung - Neu gegründetes Ethik-Institut der Diakonie präsentierte "Argumentarium Sterbehilfe"

Die Würde von Todkranken und Sterbenden zu wahren muss oberstes Handlungsprinzip sein und bleiben. Im Bild (von li nach re): Diakonie-Direktor Michael Chalupka, die Theologin Maria Katharina Moser und der Systematiker Ulrich H.J. Körtner (Foto: Schönwälder)

Keine Verankerung des Verbots der Tötung auf Verlangen in der Verfassung – Neu gegründetes Ethik-Institut der Diakonie präsentierte „Argumentarium Sterbehilfe“

Wien (epdÖ) – „In Österreich sind das Töten auf Verlangen sowie die Suizidbeihilfe verboten. Und das ist gut so, denn nur so können die Schwächsten, nämlich Todkranke und Sterbende geschützt werden“, betonte der Professor für Systematische Theologie an der Universität Wien und Direktor des neu gegründeten Instituts für öffentliche Theologie und Ethik der Diakonie (IöThE), Ulrich H.J. Körtner, bei einer Pressekonferenz am Mittwoch, 21.Jänner, in Wien. Trotzdem stellte er sich gegen eine Verankerung des Verbots der Tötung auf Verlangen, wie sie zurzeit diskutiert wird. „Ein Verfassungsgesetz würde nur die unter Ärzten und Patienten ohnehin schon bestehende Unsicherheit vergrößern, welches medizinische Tun oder Unterlassen als Verstoß gegen das Euthanasieverbot oder gegen das Verbot der Suizidbeihilfe zu beurteilen ist“, so der Ethiker. Auf diese Weise würde womöglich das Patientenverfügungsgesetz ausgehöhlt werden. Im Vorfeld der dritten Sitzung der parlamentarischen Enquete-Kommission „Würde am Ende des Lebens“ stellte das Ethik-Institut zudem ein „Argumentarium Sterbehilfe“ vor, in dem es die klare Ablehnung einer Verankerung des Verbots auf Tötung auf Verlangen in der Verfassung bekräftigte.

Für Körtner, der Mitglied der parlamentarischen Enquete-Kommission ist, schließt das Recht auf Leben auch ein Recht auf Sterben ein. Diesbezüglich dürfe sich die Medizin, trotz aller Fortschritte im Bereich der Palliativmedizin, nicht nur einseitig auf ihren Heilungsauftrag beziehen. Am Ende des Lebens seien genauso soziale, pflegerische und spirituelle Komponenten wichtig. Grundsätzlich sieht er die Debatte, die sich stark um juristische Fragen dreht, fehlgeleitet. Vielmehr müsse es darum gehen, den Menschen, der am Ende des Lebens steht, ins Zentrum der Überlegungen zu stellen, um Lösungen für die Praxis zu finden, so Körtner. Dazu brauche es in erster Linie eine öffentliche Diskussion und eine starke empirische Grundlage. Der Ethiker sprach sich zudem für eine Entkriminalisierung der Suizidbeihilfe im Einzelfalle aus, ohne das bestehende Gesetz gänzlich aufzuheben. Aber: „Grenzfälle müssen Grenzfälle bleiben und sollten nicht auf gesetzlichem Weg zur Normalität erklärt werden“.

Für Diakonie-Direktor Michael Chalupka müssten die Menschen in jeder Lebenslage unterstützt werden. 90 Prozent aller Menschen in Österreich sterben in Pflegeheimen oder Krankenhäusern, deswegen sollte besonders an dieser Stelle angesetzt werden. „Wünsche der Sterbenden ernst nehmen ist die zentrale Aufgabe der Sterbebegleitung“, so Chalupka. Er hofft deshalb, dass die Enquete-Kommission Vorschläge für die Praxis im Palliativwesen macht. Des Weiteren sei es an der Zeit, dass der Umgang mit Sterbenden ins Zentrum der Politik gerückt wird. „Es muss in unser aller Interesse sein, dass die Diskussion um das würdevolle Sterben in Österreich offensiv vorangetrieben wird“, so der Diakonie-Direktor.

Institut für öffentliche Theologie und Ethik der Diakonie soll ethisch-theologischer Kompass sein

Maria Katharina Moser, Verfasserin des „Argumentariums“ und wissenschaftliche Referentin des Instituts,betonte, dass die Publikation in erster Linie vom gesellschaftlichen Konflikt ausgeht, der rund um die Frage „menschenwürdiges Sterben“ existiert. Dabei wolle man nicht eine „allgemeine Wahrheit“ verkünden, sondern vielmehr einen Beitrag von einer evangelischen Warte aus leisten und Leserinnen und Leser darin unterstützen, sich „im Dschungel der Argumente“ besser zurechtzufinden, so Moser. Das IöThE wird auch in Zukunft in unregelmäßigen Abständen Argumentarien zu jeweils aktuellen ethischen Grundfragen veröffentlichen.  So wolle man als „ethisch-theologischer Kompass“ fungieren.

Weitere Informationen zum  Institut für öffentliche Theologie und Ethik der Diakonie finden Sie unter http://ethik.diakonie.at

ISSN 2222-2464

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