30.10.2022

Diakonie-Direktorin fordert Ukrainer-Gesetz für Vertriebene

Moser: Sicheren Aufenthaltsstatus mit Integrationsoffensive verbinden

In der ORF-Pressestunde äußerte sich DIAKONIE-Direktorin Maria Katharina Moser zu brennenden aktuellen Themen: Vertriebene aus der Ukraine, Zelte für Asylwerbende, Strategien gegen die Armut und Maßnahmen im Pflegebereich. (Screenshot: epd/Trojan)

Moser: Sicheren Aufenthaltsstatus mit Integrationsoffensive verbinden

Wien (epdÖ) – Die Diakonie wünscht sich ein eigenes Ukrainer-Gesetz, damit Vertriebene aus dem Kriegsland einen langfristigen, sicheren Aufenthaltsstatus und bessere Integrationsperspektiven in Österreich bekommen. Vorbild könne das Bosnier-Gesetz von Ende der 1990er Jahren sein, sagte Direktorin Maria Katharina Moser am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“. Gleichzeitig warnte sie mit Blick auf das Auslaufen des vorübergehenden Aufenthaltsrechts für vertriebene Ukrainer im kommenden Frühjahr vor einer „massiven Krise“, falls hier nicht gehandelt werde. Man gehe zwar davon aus, dass der Vertriebenenstatus verlängert werde, aber: „Die Ukrainer brauchen einen sicheren Aufenthaltsstatus“, forderte Moser. Damit verbunden könne Österreich eine Integrationsoffensive starten.

Die Menschen bräuchten eine Bleibeperspektive, verbunden mit dem Zugang zum Arbeitsmarkt und der Möglichkeit etwa zu einer längeren Berufsausbildung, um sich wirklich integrieren zu können, rief Moser zu einer gesetzlichen Regelung im Sinne einer Langzeitlösung für Ukraine-Vertriebene auf. Bei den Bosnien-Vertriebenen sei die Integration im Anschluss gelungen, sie seien „super integriert“ im Arbeitsmarkt, meinte die Diakonie-Chefin. Natürlich stehe den Menschen immer auch frei, in die Ukraine zurückzukehren, wenn der Krieg vorbei ist. Aber das könne kein Grund sein, Ihnen jetzt nicht einen sicheren Status zuzuerkennen.

Mit Blick auf die aktuellen Debatten um Asylanträge und die Unterbringung von Asylwerbern und das Aufstellen von Zelten kritisierte Moser ein „Spiel mit den Zahlen“ und sprach von einer „inszenierten Krise“. Die Lage sei mit der Situation von 2015 nicht zu vergleichen. Es gebe keine Krise von Menschen, „die wirklich in Österreich um Asyl ansuchen“. Vielmehr handle es sich um eine „Unterbringungskrise“, weil die Kooperation zwischen dem Bund und den Ländern in der Übernahme der Menschen in die Grundversorgung nicht funktioniere.

„Zelte erwecken Eindruck einer Asylkrise, die es nicht gibt“

Die zuletzt errichteten Zelte schreibt die Diakone-Direktorin dem „Kalkül“ des Innenministeriums zu, die Länder dazu bewegen zu wollen, ausreichend Asylwerbende in die Landesversorgung zu übernehmen. Hier sehe man nun zwar Bewegung, aber „diese Bilder der Zelte erwecken den Eindruck einer Asylkrise, die es nicht gibt“.

Einer der Gründe für die „Unterbringungskrise“ sei auch, dass in Österreich subsidiär Schutzberechtigte und auch Ukraine-Vertriebene in das Grundversorgungssystem gesteckt werden anstatt sie – wie etwa in Deutschland – in das Sozialhilfesystem zu übernehmen. Ein Problem laut Moser ist auch, dass eine wachsende Zahl an Ukraine-Vertriebene derzeit staatliche Quartiere in der Grundversorgung benötigten, weil sich viele Österreicher angesichts der Teuerung die Zurverfügungstellung von Privatquartieren nicht mehr leisten könnten. „Hier müssen wir schnell handeln, sonst bekommen wir ein strukturelles Problem“, warnte sie.

Viele der Menschen, die derzeit in Österreich einen Asylantrag stellen, wollten zudem weiterziehen und nicht im Asylverfahren bleiben, sagte Moser und plädierte dafür, Arbeitsmigration und Asyl klar auseinanderzuhalten. „Wir müssen auf europäischer Ebene bessere Lösungen für legale, faire Arbeitsmigration finden“, forderte die Diakonie-Direktorin. Dann müssten diese Menschen nicht ins Asylsystem drängen. Auch seien bei der sogenannten „Rot-Weiß-Rot-Karte“ zur befristeten Niederlassung und Beschäftigung Hürden etwa zu Einkommensgrenzen oder Arbeitgebernachweisen „extrem hoch“.

Probleme durch Teuerung immer größer

Zur Teuerung erklärte die Diakonie-Direktorin, dass die steigenden Preise auch für Menschen der unteren Mittelschicht immer problematischer würden. So habe die Nachfrage nach Beratungen zu Wohnbeihilfe zugenommen. Die Regierung habe einiges an Maßnahmen gesetzt, die „in der Fläche“ auch Wirkung zeigten, so Moser. „Aber man muss ganz klar sehen, dass sich die Sünden der Vergangenheit, also dort, wo vor der Teuerung schon die Armut nicht ausreichend bekämpft worden ist, die Probleme immer größer werden.“

Die Inflationsanpassung von Familien- und Sozialleistungen wie der Familienbeihilfe bezeichnete die Leiterin der Diakonie als „sehr wichtig und nachhaltig“. Auch der Klimabonus sei eine Maßnahme, die Menschen mit wenig Geld hilft. Ausdrücklich wünschte sich Moser aber auch Anpassungen bei der Sozialhilfe und beim Arbeitslosengeld.

Pflegekräfte entlasten

Die jüngste Pflegereform mit Verbesserungen in der Pflegeausbildung und einem Bonus für Mitarbeiter in der Pflege nannte Moser einen „ersten Meilenstein“. Nächster „dringender“ Schritt sei der Blick auf das Pflegesystem als gesamtes. Nötig seien etwa Maßnahmen beim Personalschlüssel, um Pflegekräfte zu entlasten. „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sagen: Wir wissen, was die Menschen brauchen, aber wir haben nicht genug Zeit dafür“, schilderte Moser. Hier brauche es Änderungen, damit Pflegekräfte weiterhin gern in diesem Beruf arbeiten.

Nachholbedarf sieht Moser zudem bei den Informationsangeboten für Menschen, die einen Pflegeberuf ergreifen wollen. Dazu schlug sie eine Informationsplattform vor, auf der Menschen aus einer Hand erfahren können, welche Ausbildungen es gibt und wie sie finanziert werden können. Generell habe Österreich „ein System, das viel zu schnell ins Pflegeheim schickt“, forderte die Diakonie-Chefin zu strukturellen Maßnahmen auf. Stationäre Pflege in Heimen sei am teuersten, Ziel müsse also sein, dass Menschen länger zu Hause bleiben und dort mobil gepflegt werden.

ISSN 2222-2464

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Schlagworte

Diakonie | Pflege | Moser | Asyl | Ukraine

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