21.07.2019

Chalupka und Landau: Kirchen und Zivilgesellschaft werden nicht gehört

Podiumsdiskussion bei Sommerakademie Kremsmünster

Podiumsdiskussion mit Ex-Vizekanzler Mitterlehner, Caritas-Präsident Landau, dem Initiator der Ökumenischen Sommerakademie Obermayr, dem designierten evangelischen Bischof Chalupka und Sozialwissenschaftler Weidenholzer zum Abschluss der Ökumenischen Sommerakademie im Stift Kremsmünster. Foto: Michael Kraml

Podiumsdiskussion bei Sommerakademie Kremsmünster

Kremsmünster (epdÖ) – Kirchen, Zivilgesellschaft sowie von Armut betroffene Menschen fühlen sich von politischen Entscheidungen ausgeschlossen; die Zuhörbereitschaft von Seiten der Politik hat abgenommen: Zu diesem Fazit kamen der gewählte Bischof der Evangelischen Kirche A.B, Michael Chalupka und Caritas-Präsident Michael Landau am Freitag, 12. Juli, bei der Abschlussdiskussion der diesjährigen Ökumenischen Sommerakademie im Stift Kremsmünster. Als Negativbeispiele nannten sie zwei brisante politische Entscheidungen der letzten Monate, wie Mindestsicherung und die neue Karfreitags-Regelung. Der frühere Vizekanzler Reinhold Mitterlehner forderte die Kirchen im Gegenzug dazu auf, keine Konflikte zu scheuen und „klare Positionen“ zu beziehen.

Die drei diskutierten mit dem Sozialwissenschaftler Prof. Josef Weidenholzer (SPÖ), der für acht Jahre dem Europäischen Parlament angehört hat. Die traditionsreiche dreitägige Sommerakademie in dem oberösterreichischen Benediktinerstift stand heuer unter dem Generalthema „Die gespaltene Gesellschaft“.

Chalupka: Gläubige Menschen hören

Die politische Entscheidung zum Karfreitag, der seit Februar dieses Jahres ein „persönlicher Feiertag“ ist, habe gezeigt, wie schnell Kirchen ihre Rechte verlieren könnten. Für Chalupka ging es dabei weniger um die „Kaste der Kirchen-Funktionäre“, sondern um gläubige Menschen, die durch die Karfreitagsentscheidung nicht ernst genommen wurden.

Der gewählte Bischof der Evangelischen Kirche A.B. forderte von den Kirchen zugleich mehr Selbstkritik. So hätten diese bereits Mitte der 1990er Jahre „Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ miteinander verbunden und zu ihrem Anliegen gemacht. Leider sei es ihnen jedoch nicht gelungen, diesen Themen die notwendige Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu verschaffen. Die aktuelle „Fridays for Future“-Bewegung zeige nun vor, „wie man es besser machen kann“, stellte Chalupka fest. Kritisch merkte der ehemalige Direktor der Diakonie an, dass Kirchen als Teil der Zivilgesellschaft kaum noch Möglichkeiten hätten, sich aktiv in politische Entscheidungen einzubringen. Caritas wie auch Diakonie hätten durch ihre Arbeit als Hilfsorganisationen zwar die Expertise, würden aber immer weniger gehört und im schlimmsten Fall sogar diffamiert. In dieser Situation sei es wichtig zu unterstreichen, dass Politik mehr sei als einzelne Politiker. Jeder könne etwas zur „Gestaltung der Gesellschaft beitragen“, zeigte sich Chalupka überzeugt, denn das politische Handeln müsse man als Bürger nicht der Bundesregierung überlassen.

Landau gegen Neidgesellschaft

Alleinerziehende, Schwerkranke, Pflegende und von Armut betroffene Menschen würden von der Politik immer weniger gehört, kritisierte Landau in seinem Statement in Kremsmünster. Der Caritas-Präsident forderte die Politiker dazu auf „die richtigen Debatten“ zu führen und keine Neidgesellschaft zu schüren. Dazu gehöre laut Landau, dass man nicht „über 0,9 Prozent der gesamten Sozialleistungen“ diskutiere, denn die Mindestsicherung würde nur den kleinsten Teil des Sozialbudgets ausmachen, aber vor allem Menschen betreffen, die „sich nicht wehren können“. Der Fokus der Politik sollte sich auf Themen wie leistbares Wohnen, Verteilungsgerechtigkeit und Arbeit konzentrieren, forderte Landau.Bezüglich des Tagungsthemas – „Die gespaltene Gesellschaft“ – meinte Landau, dass selbst gesellschaftliche Widersprüche einen positiven Effekt haben könnten. In Österreich habe man die Mittel, den Mut und die Fähigkeiten die Zukunft positiv zu gestalten. „Angst schadet nur Menschen und unserem Land“, betonte Landau.

Mitterlehner warnt vor autoritärer Demokratie

Österreich bewege sich von einer liberalen hin zu einer autoritären Demokratie, warnte Mitterlehner. Die aktuelle „Symbolpolitik“ des Landes, „die nicht zuhört, sondern sich auf Themen wie Migration oder Flucht versteift“, verdeutliche diesen Zustand, meinte der Ex-Vizekanzler. Der politische Dialog gehe zurück und die „integrative Ausrichtung“ des politischen Diskurses nehme ab. Als Lösung nannte Mitterlehner eine „partizipative Demokratie“, die die Pluralität und Integration anderer Meinungen fördere. Einen wichtigen Beitrag zur Demokratie könnten die Kirchen leisten. Diese sollten weder Konflikte noch klare Stellung gegenüber der Regierung scheuen, forderte Mitterlehner. Eine andere Wahrnehmung der Situation hatte indes der Sozialwissenschaftler Josef Weidenholzer. So gebe es auf Österreichebene durchaus „eine sehr klare Stimme“ der Kirchen. Das ehemalige Mitglied des Europäischen Parlaments warf aber ein, dass die Inszenierung der Parteien dazu führe, dass die Stimme der Kirchen immer weniger gehört werden würden. In diesem Fall seien „vernünftige Stimmen beinahe kontraproduktiv“ geworden, konstatierte Weidenholzer.

 

ISSN 2222-2464

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