10.12.2008

Bünker zum 60. Jahrestag der Menschenrechte: „Ohne biblische Tradition nicht denkbar“

Ein Symposion in der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems untersucht die Haltung der Religionsgemeinschaften

Ein Symposion in der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems untersucht die Haltung der Religionsgemeinschaften

Wien (epd Ö) – „Gefeiert – verachtet – umstritten“ ist der Titel eines internationalen Symposions anlässlich des 60. Jahrestages der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte am 10. Dezember 1948, das von der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems (KPH) in Wien veranstaltet wird und am Mittwoch, 10. Dezember, zu Ende geht.

Wie der evangelisch-lutherische Bischof Dr. Michael Bünker in einer Podiumsdiskussion über die Menschenrechte in den Religionen im Rahmen des Symposions erklärte, sind die Menschenrechte den Kirchen „abgerungen“ worden. Sie sind jedoch materiell nicht ohne die biblische Tradition denkbar. Die Menschenrechte würden von keiner innerweltlichen Instanz verliehen und dürften von keiner innerweltlichen Instanz abgesprochen werden. Der Bischof betonte, dabei gehe es um Rechte, nicht um moralische Normen. Diese Rechte „gehören dem zum Bilde Gottes geschaffenen Menschen“. Die evangelischen Kirchen hätten in letzter Zeit Grund zur Kritik, „dass zunehmend religiöse Argumente angeführt werden, um den Schutz der Menschenrechte zu durchlöchern“.

„Den Begriff ‚Menschenrechte‘ gibt es in der Bibel nicht“, hielt Dr. Tirza Lemberger vom Institut für Judaistik der Universität Wien fest. An seiner Stelle stehe in der Tora „die Pflicht des Menschen, sich gegenüber dem anderen Menschen anständig zu verhalten“. Diese Pflicht bestehe gleichermaßen gegenüber Gott und den Menschen.

Schakfeh: Der Islam kennt keinen Glaubenszwang

Dass der Mensch ein Geschöpf Gottes ist, das von Gott „geehrt worden ist“, unterstrich auch der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Prof. Anas Schakfeh. Er bezeichnete den Menschen als „Statthalter Gottes auf Erden“, der Verantwortung für die übrige Schöpfung trage. Ebenso wie im Judentum gelte diese Verantwortung gleichermaßen gegenüber Gott und den Mitmenschen. Diese Verpflichtung bedinge die Rechte der Menschen.

In diesem Zusammenhang hob Schakfeh hervor, der Islam kenne keinen Glaubenszwang. Nur der aus der Überzeugung kommende Glaube werde von Gott akzeptiert. Der Präsident räumte ein, dass „in manchen Ländern die Praxis anders ausschaut“, verwahrte sich aber gegen Verallgemeinerungen. Das Problem liege in der „Unzulänglichkeit des Menschen in seiner Auseinandersetzung mit dem Göttlichen“. „Im Zentrum der Lehre des Buddha steht die Harmonie aller Wesen, nicht nur der Mensch“, erläuterte der Präsident der Österreichischen Buddhistischen Religionsgemeinschaft, Gerhard Weißgrab. Deshalb gehe es um „Rechte für alle fühlenden Wesen“, auch um die der Tiere.

Unangenehme Fragen an die Kirchen

„Die Menschenrechte zünden Fragen an, die Religionssysteme nicht haben wollen“, erklärte der römisch-katholische Universitätsseelsorger Msgr. Mag. Helmut Schüller bei dem Podiumsgespräch, daher seien sie ein „revolutionäres Projekt“. Schüller ortete die Schwierigkeiten der Kirchen mit den Menschenrechten in ihrer Begründung in der Vernunft, im Gedanken der Religionsfreiheit, der als Bedrohung empfunden werde, aber auch in ihrem An-spruch auf Gültigkeit im kircheninternen Bereich, wo sie eine unerwünschte „Rückstoßwirkung“ entfalteten.

Aus der Sicht der österreichischen Diplomatie berichtete Dr. Georg Heindl vom Österreichischen Außenministerium, Österreich trage die Menschenrechtspolitik der EU in vollem Umfang mit. Heindl erinnerte daran, dass sich die EU für religiöse Minderheiten in China und anderen Ländern einsetze. Damit Österreich eine gute Menschenrechtspolitik machen könne, bedürfe es jedoch der Unterstützung der Zivilgesellschaft im eigenen Land.

Bei dem Symposion der KPH kommen international anerkannte WissenschaftlerInnen und JournalistInnen zu Wort, so die PädagogInnen Univ.-Prof. Dr. Reinhold Boschki, Bonn, und Univ.-Prof. Dr. Ines M. Breinbauer, Wien, und die ORF-Journalistin Mag. Annette Scheiner.

Zahlreiche Institutionen und Menschenrechtsgruppen präsentieren Workshops, darunter die Diakonie zum Thema „Patchwork – miteinander leben – voneinander lernen“ und die KPH mit dem Thema „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, geleitet von Mag. Barbara Rauchwarter.

ISSN 2222-2464

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