20.04.2015

Bünker: Verantwortungsloses Wegschauen Europas

Diakonie: Mehr Flüchtlingslager in Nordafrika sind keine Lösung

Sichere Einreiserouten und ein Ausbau der Seenotrettung im Mittelmeer könnte Flüchtlingstragödien wie die jüngste verhindern. (Im Bild: Die italienische Insel Lampedusa. Foto: Luca Siragusa/Wikimedia)

Diakonie: Mehr Flüchtlingslager in Nordafrika sind keine Lösung

Wien (epdÖ) – Das „verantwortungslose Wegschauen Europas“ hat der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker angesichts der Flüchtlingstragödie im Mittelmeer kritisiert. „So dramatisch und tragisch diese Katastrophe ist, muss man dazusagen, dass sie leider nicht überraschend kommt“, erklärt der Bischof und Generalsekretär der Evangelischen Kirchen in Europa gegenüber dem Evangelischen Pressedienst. Seit vor zwei Jahren über 300 Menschen vor Lampedusa ertrunken sind, habe sich „nichts wesentlich geändert“. Bünker fordert ein Zusammenwirken der europäischen Länder. Es brauche einen „sicheren und legalen Weg für Menschen, die vor Krieg und Gewalt auf der Flucht sind, wo sie weder kriminellen Schlepperbanden ausgeliefert noch der Todesgefahr ausgesetzt sind“, so der Bischof.

Gleichzeitig ruft Bünker zur Teilnahme an der heutigen Gedenkkundgebung um 18 Uhr auf dem Wiener Minoritenplatz auf, zu der Amnesty International, Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz, SOS Mitmensch, Volkshilfe und UNHCR einladen.

„Eine Politik, die mit dem Tod von Menschen als Mittel der Abschreckung rechnet, ist verantwortungs- und gewissenlos“, betont Diakonie-Direktor Michael Chalupka in einer Aussendung. Die Politik der europäischen Regierungen, die Aktion „Mare Nostrum“ einzustellen, habe wie zu erwarten zu hunderten Toten geführt. Mehr Flüchtlingslager in Nordafrika seien keine Lösung, den diesbezüglichen Vorschlag von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner bezeichnet Chalupka als „weltfremd“. Es mangle nicht an überfüllten Flüchtlingslagern, „sondern an Staaten, die bereit sind, namhafte Zahlen von Flüchtlingen aufzunehmen“.

Derzeit gebe es bereits zahlreiche Flüchtlingslager unter der Führung des UNHCR. Europa könne jederzeit Menschen aus diesen Lagern Schutz bieten. In Lagern in Afrika könne es jedoch keine Verfahrensgarantien geben, die europäischen Rechtsschutzstandards gerecht werden. Bislang habe die Interventionspolitik der EU zum Beispiel in Libyen die politischen Verhältnisse nicht stabilisieren können. Chalupka: „Warum gerade dort ein funktionierendes Asylsystem, zu dem sich Europa auf eigenem Territorium nicht im Stande sieht, umgesetzt werden können soll, bleibt schleierhaft.“

Stattdessen spricht sich Chalupka für konzertierte Bemühungen der Europäischen Union und der europäischen Nationalstaaten aus. Gemeinsam müssten sichere Korridore nach Europa geschaffen werden. Chalupka: „Wenn Europa diese Tragödien verhindern will, muss es die Seenotrettung massiv verstärken und sich wesentlich mehr als bisher für geschützte Einreisemöglichkeiten engagieren.“ Konkret fordert die Diakonie Visaerleichterungen für Flüchtlinge in Kriegssituationen, die Möglichkeit, Asylanträge in den Botschaften und europäischen Vertretungsbehörden zu stellen, sowie eine Beteiligung am weltweiten Settlement-System. Europa müsse laut Chalupka „in einen Wettbewerb der Lebensrettung eintreten und den unwürdigen Wettbewerb des Wegschauens endlich beenden“.

ISSN 2222-2464

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