21.01.2010

Bünker: „Kirchen sind Werkzeuge und Zeichen, die von sich wegweisen“

Akademische Diskussion über die Papstenzyklika "Caritas in veritate - Liebe in Wahrheit" in der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien

Akademische Diskussion über die Papstenzyklika „Caritas in veritate – Liebe in Wahrheit“ in der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien

Wien (epd Ö) – „Die Herausforderung für die Kirchen in einer pluralistischen Gesellschaft ist die Frage: Wie gelingt es ihnen, in ihren ethischen Forderungen Kooperationen zu finden?“ Das sagte der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker bei einer Diskussionsveranstaltung zur Sozialenzyklika von Papst Benedikt XVI. „Caritas in veritate – Liebe in Wahrheit“ am 20. Jänner in der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

Bünker, der an der römisch-katholischen Enzyklika unter anderem kritisierte, dass der Gedanke der Gerechtigkeit „erstaunlich unterbelichtet“ sei sowie die spezielle Frage der Gendergerechtigkeit und die „Option für die Armen“ in dem Text nicht enthalten seien, stellte der Papstverlautbarung vom Juli 2009 das sechs Jahre zuvor erschienene Ökumenische Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich gegenüber.

In dem Sozialwort, so der Bischof, verstünden sich die Kirchen nicht als Gegenüber der Welt, sondern als Teil der Welt und gingen eine ethische Selbstverpflichtung ein. Der ökumenisch ausgearbeitete Text setze nicht, wie die Enzyklika, mit philosophischen Begründungen, sondern mit einer biblischen Grundlegung ein und entspreche damit auch im protestantischen Sinn der „Schriftgemäßheit“. An der Enzyklika vermerkte Bünker positiv, dass sie den Geschenkcharakter des Lebens hervorhebe, was auch evangelischer Tradition entspreche.

Insgesamt betonte der Bischof, die Kirchen seinen lediglich „Werkzeuge und Zeichen, die von sich wegweisen“. Das soeben von der EU ausgerufene „Jahr der Armut“ erinnere daran, dass die Kirchen noch „genug zu tun“ haben.

„Ungleichgewichte“ in der Enzyklika

In einer eingehenden Analye der Papstenzyklika bezeichnete der Leiter der Katholischen Sozialakademie, Alois Riedlsperger, die „soziale Liebe“ als Thema der Enzyklika. Vom Ansatz „Gott ist die Liebe“ aus werde Kulturkritik geübt und gefragt, wohin bestimmte Entwicklungen führen können. So gelte als ethisches Kriterium des Globalisierungsprozesses „die Entwicklung zum Guten der Menschheitsfamilie“. Zum ökumenischen Aspekt der Enzyklika betonte Riedlsperger: „Die Gemeinschaft aller Christen ist mitgedacht.“ Kritisch vermerkte der Sozialexperte zu dem Text des Papstes, es gebe in der Präsentation der verschiedenen Themen „Ungleichgewichte“. Das Problem des Klimawandels etwa komme nur am Rande vor.

Sozialethiker Prada: „Orthodoxe Kirchen entdecken mühevoll eigene Freiheit“

„Auch die orthodoxen Kirchen werden sich den Fragen der Gesellschaft stellen müssen, damit erfüllen sie einen Teil ihres Auftrags wie in der Liturgie.“ Das forderte der Sozialethiker an der Universität Cluj-Napoca/Klausenberg, Professor Radu Prada. Prada kritisierte, dass sozialethische Äußerungen der Orthodoxie, wenn sie erfolgen, unaktuell und zu allgemein seien, um konkrete Orientierung bieten zu können. Dazu würden sie im Westen nur wenig wahrgenommen, zum Teil auf Grund sprachlicher Probleme. Insgesamt habe die Orthodoxie noch immer Schwierigkeiten, dem Sozialen „einen tief theologischen Charakter zuzusprechen“. Der Sozialethiker erinnerte daran, dass seit dem Fall Konstantinopels keine orthodoxe Kirche auch nur über ein Jahrhundert Freiheit verfügt habe und nicht selbstbestimmt und prophetisch agieren konnte. „Erst jetzt entdecken sie mühevoll ihre eigene Freiheit.“

Im Blick auf sein eigenes Land Rumänien berichtete Prada, der Übergang vom Kommunismus zur Marktwirtschaft habe zahlreiche Arbeitsplätze gekostet und werde als große Ungerechtigkeit empfunden. Kapitalismus, Ökumene und Menschenrechte seien noch immer negativ besetzte Begriffe. Hier stehe ein schwieriger Lernprozess bevor.  Die von der römisch-katholischen Theologin und ORF-Journalistin Maria Katharina Moser moderierte Diskussion wurde veranstaltet von der Österreichischen Kommission Iustitia et pax und der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

ISSN 2222-2464

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