16.06.2011

Bünker: Evangelische Kirche bringt sich in Gesellschaft ein

Graz: 50 Jahre Protestantengesetz und 150 Jahre Protestantenpatent

Im Bild: Superintendent Hermann Miklas, Bischof Michael Bünker und Landtagspräsident Manfred Wegscheider

Graz: 50 Jahre Protestantengesetz und 150 Jahre Protestantenpatent

Graz (epdÖ) – „Heute bringt sich die evangelische Kirche mit ihren Anliegen in die österreichische Gesellschaft ein, sie stellt mit ihrer Diakonie glaubwürdig unter Beweis, dass sie auch tut, was sie sagt, sie nimmt an der europäischen Integration und der Weiterentwicklung der EU verantwortungsvoll teil.“ Das sagte der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker in seinem Vortrag beim Festakt „Freie Kirche in einem freien Staat“ anlässlich 50 Jahre Protestantengesetz und 150 Jahre Protestantenpatent in Österreich am 15. Juni im Plenarsaal des Landhauses in Graz.

Vor zahlreichen Festgästen aus der Evangelischen und der Römisch-katholischen Kirche, der Israelitischen Kultusgemeinde sowie aus der steirischen Landespolitik und der Gesellschaft zeichnete der Bischof eingehend die staatskirchenrechtliche und politische Entwicklung nach – vom Toleranzpatent Kaiser Josephs II. über das Protestantenpatent Kaiser Franz Josephs I., die „Entkonfessionalisierung des kirchlichen Lebens“ nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich bis zum Protestantengesetz von 1961, das auf der Formel „Freie Kirche im freien Staat“ beruht. Damit war die gesamte innerkirchliche Gesetzgebung schließlich an keine Genehmigungspflicht mehr gebunden. Der Bischof zusammenfassend: „Sie sehen also, dass die längste Zeit unserer Geschichte von Unterdrückung und Verbot geprägt war.“

Spindelegger will Dialog mit Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften

Im Blick auf die rechtliche Entwicklung in der EU verwies Bünker auf den 2009 abgeschlossenen Vertrag von Lissabon, der in der Präambel formuliert: „Schöpfend aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas …“ und im Artikel 17 festhält, die Union pflege mit Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften „in Anerkennung ihrer Identität und ihres besonderen Beitrags einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog“. In diesem Zusammenhang berichtete Bünker: „Es ist sehr erfreulich, dass der österreichische Außenminister Vizekanzler Michael Spindelegger im März dieses Jahres Vertreter von Kirchen und Religionsgemeinschaften zu einem ersten Gespräch eingeladen hat, um dabei seine Absicht zu bekunden, einen Dialog analog zum Artikel 17 auch auf nationaler Ebene einzurichten. Erste Umsetzungsmöglichkeiten wurden erörtert, die nächsten Schritte stehen an.“

Zum heutigen Selbstverständnis der Evangelischen Kirche in Österreich räumte der Bischof ein: „Die Kirche ist keine politische Institution, auch wenn sie in der Umsetzung ihres Kernauftrags dann und wann auch politisch wirkt.“ Sie sei auch keine Aktionsgemeinschaft der Zivilgesellschaft. Aber „sie bringt sich als Teil der Zivilgesellschaft in den gesellschaftlichen Diskurs ein“. Damit leiste sie „einen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt, zur Solidarität und Barmherzigkeit, zu einer Kultur des Helfens und zum Aufbau eines gerechten Friedens“. Als Beispiel für Konflikte mit dem Staat, die „dann und wann“ nicht ausblieben, nannte der Bischof „in letzter Zeit in erster Linie“ Fragen des Umgangs mit Asylsuchenden, aber auch die Armutsbekämpfung, die Pflegesicherung „und einiges mehr“.

Superintendent Miklas: Verhältnis von Kirche und Staat muss möglicherweise neu geordnet werden

Protestantenpatent und Protestantengesetz seien in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche entstanden, hob der steirische Superintendent Hermann Miklas in seinem Grußwort hervor. Auch das Jahr 2011 rege „zu aktuellen Überlegungen an, wie in unserer pluraler gewordenen Welt das Verhältnis von Kirche und Staat neu zu ordnen sei“. Miklas betonte auch, dass das Schlagwort von der freien Kirche im freien Staat „selbstverständlich nicht konfessionell zu verstehen“ sei, und unterstrich „das gute ökumenische Klima, das in unserem Land herrscht“. Die Ergebnisse des Protestantenpatents und des Protestantengesetzes „erscheinen uns längst so selbstverständlich, als hätte es sie immer schon gegeben“. Miklas erinnerte daran, dass das Grazer Landhaus im 16. Jahrhundert „ein bewusster Prestigebau der evangelischen Landstände gegen die da oben auf der Burg“ gewesen sei.

Der steirische Landtagspräsident Manfred Wegscheider, der zusammen mit Miklas zum Festakt im Grazer Landhaus eingeladen hatte, erklärte in seiner Eröffnungsrede: „Der Protestantismus spielte in der Steiermark immer eine wichtige Rolle.“ Wegscheider erinnerte an die Zeit der Gegenreformation in der Steiermark, zu deren erfolgreichem Abschluss die Kapelle im Landhaus errichtet worden sei. 1999 sei sie nach einer Renovierung „ökumenisch geweiht worden“ und stehe jetzt allen Landtagsabgeordneten zur Meditation zur Verfügung.

Musikalisch gestaltet wurde der Empfang von der Bläsergruppe „Quattro Voci“ mit den Choralbearbeitungen „Allein Gott in der Höh‘ sei Ehr“ und „Ein feste Burg ist unser Gott“ von Johann Sebastian Bach.

ISSN 2222-2464

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