07.11.2008

Bünker: Einsatz für Menschenrechte muss Anliegen aller Kirchen sein

Bei einer Ringvorlesung am Wiener Juridicum sprach der evangelisch-lutherische Bischof über "Gesetz und Evangelium - die Evangelischen Kirchen und die Menschenrechte"

Bei einer Ringvorlesung am Wiener Juridicum sprach der evangelisch-lutherische Bischof über „Gesetz und Evangelium – die Evangelischen Kirchen und die Menschenrechte“

Wien (epd Ö) – Der Einsatz für den Schutz der Menschenwürde, für Menschenrechte und Religionsfreiheit muss weiterhin ein gemeinsames und einigendes Anliegen aller in der Ökumene versammelten Kirchen sein. Diese Forderung erhob der evangelisch-lutherische Bischof bei einer Vorlesung unter dem Titel „Gesetz und Evangelium – die Evangelischen Kirchen und die Menschenrechte“, die im Rahmen der Ringvorlesung „Weltethos und Recht“ am Donnerstag, 6. November, am Wiener Juridicum stattfand.

Das „uneingeschränkt positive“ Verhältnis zu den Menschenrechten sei nicht in allen Kirchen und Religionen gegeben. Bünker kritisierte in diesem Zusammenhang die Stellungnahme der Russisch-orthodoxen Kirche zum Thema Menschenrechte, die im Sommer dieses Jahres veröffentlicht wurde. Darin ortet Bünker ein „Missverständnis der Menschenrechte“. Dies zeige sich an der Diskussion um unterschiedliche Lebensformen wie homosexuelle Partnerschaft, Abtreibung und dergleichen mehr. „Dies alles sind keine Fragen der Menschenrechte, sondern Fragen der inhaltlichen Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Überzeugungen und damit verbunden mit Respekt oder Nichtdiskriminierung in der Gesellschaft“, hält der lutherische Bischof fest. Zwar werde in der Stellungnahme eine starke Lanze für den Lebensschutz gebrochen, die Todesstrafe aber mit der lapidaren Bemerkung, sie sei gängige Praxis in der Bibel, davon ausgenommen. Ähnliches finde sich in der Bestimmung von Meinungs-, Gewissens- und Glaubensfreiheit, „die nicht die religiöse Neutralität des Staates bedeuten, weil die Wahrheitsansprüche keine staatliche Indifferenz erlauben“. Damit sei längst der „Staat zum verlängerten Arm der Kirche und ihrer Anliegen gemacht“. An die Stelle des weltanschaulich neutralen Rechtsstaates trete der religiös orientierte Gesinnungsstaat. Bünker: „Mit dieser Stellungnahme stellt sich die Russisch-orthodoxe Kirche eher auf die Seite mancher islamischer Stimmen als in die Gemeinschaft der Ökumene.“

Gerade 60 Jahre nach der Verabschiedung der Menschenrechtsdeklaration am 10. Dezember 1948 scheint es „dringend geboten, dass sich die Kirchen miteinander in einem deutlichen Votum für Menschenrechtlichkeit weltweit und für alle Menschen aussprechen“. Der Blickwinkel, aus dem sie dies tun, sei für evangelische Theologie stets die „Option für die Armen, wie wir sie in der biblischen Tradition von den Propheten bis hin zu Jesus von Nazareth vorgeprägt sehen“. In dieser Option sei der Einsatz für die universale und allgemeine Gültigkeit der Menschenrechte ein „unerlässlicher Baustein für die Realisierung des kommenden Gottesreiches, das immer auch als Reich des Friedens und der Gerechtigkeit bezeichnet wird“, sagte Bünker.

Die Entwicklung der Menschenrechte sei ohne christlichen Einfluss nicht denkbar, zugleich gelte, dass sie gegen erheblichen kirchlichen Widerstand durchgesetzt, „ja den Kirchen abgerungen“ werden mussten. Das betreffe nicht nur die Römisch-katholische Kirche, sondern auch die Evangelischen Kirchen in Europa.

Menschenrechte hätten die weltanschauliche Neutralität des Staates wie auch die Pluralität der gesellschaftlichen Verhältnisse widerzuspiegeln. Sie seien grundsätzlich „begründungsbedürftig und zugleich begründungsoffen“. Aus evangelischer Sicht seien sie auf eine christlich-theologische Begründung angewiesen, was jedoch kein „christliches Begründungsmonopol“ bedeute. Die Menschenrechte in der europäischen Tradition verdankten sich unterschiedlichen kulturellen und religiösen Wurzeln, betonte Bünker, und nannte hier das „menschenrechtliche Potential der Reformation, des Humanismus und der Renaissance“. Auch die aktuelle Forderung der Evangelischen Kirche nach einer Grundsicherung habe etwa ihre Wurzel in der Reformation.

Weil Menschenrechte nicht zur Disposition des Gesetzgebers stehen, dürften sie auch nicht von Gegenleistungen abhängig gemacht werden. Bünker: „So treten Kirchen uneingeschränkt dafür ein, dass Muslime in westlichen Ländern im Rahmen der staatlich gewährleisteten Religionsfreiheit ihren Glauben ungehindert praktizieren können. Unabhängig davon, ob in islamischen Ländern ein gleiches Recht für Andersgläubige gewährt wird oder nicht.“

ISSN 2222-2464

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