17.08.2012

Breites gesellschaftliches Bündnis gegen Bio-Sprit E 10

"Biosprit eine Katastrophe für Menschen in Entwicklungsländern"

Weltweite massive Preissteigerungen infolge von unter anderem exzessiven Börsenspekulationen mit Grundnahrungsmittel und der Erzeugung von Biosprit seien für arme Menschen "eine existenzielle Bedrohung", warnt Caritas-Auslandshilfechef Christoph Schweifer. (Foto: pixelio.de/Viktor Mildenberger)

„Biosprit eine Katastrophe für Menschen in Entwicklungsländern“

Graz/Wien (epdÖ) – In der Diskussion um die geplante Einführung des umstrittenen Biosprits „E10“ im Herbst ruft ein Bündnis aus verschiedenen Organisationen – darunter auch kirchliche Vertreter – zur Unterzeichnung einer Petition auf. Gefordert wird, „dass die Regierung ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen wahrnehmen und sich für umfassende ökologische und soziale Mindeststandards sowie für ein Moratorium der Beimischungsquote für Agrosprit einsetzen muss“, hieß es in einer Aussendung am Donnerstag.

Agrotreibstoffe seien „nicht nur wegen der unökologischen und energieaufwändigen Produktion ungeeignet für den Klimaschutz“, sondern würden nachweislich zum massiven Preisanstieg von Lebensmitteln beitragen: „Eine Katastrophe für Menschen in Entwicklungsländern, die bis zu 70 Prozent ihres Einkommens für die Ernährung ausgeben müssen“, erklärte Sigrund Zwanzger vom „Welthaus“ der Diözese Graz-Seckau.

„Bereits heute müssen Österreich und die EU einen hohen Anteil der Rohstoffe für Agrotreibstoffe aus Drittländern importieren, z. B. aus Argentinien“, berichtete Zwanzger. Auch für die geplante Beimengung von zehn Prozent Agrotreibstoffen ab Herbst reichten die heimischen Anbauflächen nicht aus.

Während mit dem Anbau von Exportrohstoffen in den Drittländern große Konzerne starke Gewinne machten, verliere die lokale Bevölkerung ihre Lebensgrundlage: „Wälder werden für die Monokulturen gerodet, Kleinbauernfamilien müssen von ihrem Land weichen, das Trinkwasser wird knapp“, so Zwanzger. „Nach ein paar Jahren industriellen Anbaus mit hohem Pestizideinsatz sind die Böden kaputt. Zurück bleiben Armut und eine zerstörte Umwelt.“ Anbauflächen für den Eigenbedarf würden verdrängt; die Ernährungslage der lokalen Bevölkerung verschlechtere sich laufend, während immer mehr für den Export produziert werde.

Deshalb ruft das Bündnis zur Unterzeichnung der Online-Petition auf, die unter www.parlament.gv.at abgerufen werden kann. Im Zusammenschluss finden sich als kirchliche Vertreter neben dem „Welthaus Graz“ auch das „Welthaus Wien“, die Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar Österreichs, die Katholische Aktion Wien, die „Koordinierungsstelle der Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission“ und die Umweltbeauftragten der katholischen und evangelischen Kirche Österreichs.

Ähnlich hat auch Caritas-Auslandshilfechef Christoph Schweifer am Donnerstag im „Ö1-Morgenjournal“ appelliert. Weltweite massive Preissteigerungen infolge von u. a. exzessiven Börsenspekulationen mit Grundnahrungsmittel und der Erzeugung von Biosprit seien für arme Menschen „eine existenzielle Bedrohung“, warnte er. Bei Letzterem gehe es „um eine tödliche Konkurrenz zwischen Teller und Tank, bei der der Teller gewinnen muss“.

Schweifer: „Wir haben 925 Millionen Hungernde weltweit; alle zwölf Sekunden stirbt ein Kind an Hunger. Im Westsahel haben wir derzeit 18 Millionen Menschen, die unter den Folgen der Dürre leiden. Wenn ich wie im Westsahel 80 Prozent meines Einkommens für Lebensmittel ausgeben muss, dann kann ich keine Preissteigerung überleben.“

Deshalb müssten alle Maßnahmen ergriffen werden, die solche Preissteigerungen hintanhielten, forderte der Auslandshilfechef. Dazu brauche es u. a. eine Drosselung der Biotreibstoffproduktion in den USA und auf europäischer Ebene ein Moratorium der Beimischungsquote für Agrosprit.

„Langfristig ist klar: Wir haben eine steigende Weltbevölkerung, wir haben Lebensstilveränderungen, bei denen wir mehr Lebensmittel brauchen“, erklärte Schweifer. „Wenn wir zusätzlich Agrotreibstoffe massiv fördern, führt das zur tödlichen Konkurrenz. Da braucht es eine Richtungsänderung.“ Gleichzeitig aber brauche es auch „massive Investitionen in die Landwirtschaft, gerade in die kleinbäuerliche Landwirtschaft z. B. im afrikanischen und asiatischen Kontext“, so der Auslandshilfechef. Hier sei auch die österreichische Regierung gefordert, anstelle von Kürzungen bei der Entwicklungshilfe diese stärker zu fördern.

„Wenn alle beteiligten ihre Beiträge leisten, dann ist eine Zukunft ohne Hunger möglich“, so Schweifer.

Auch die Caritas ruft zur Beteiligung an einer Online-Petition unter www.stopp-spekulation.at auf. Die Hilfsorganisation hatte die Petition Ende Juli gestartet, um den Druck auf die Politik zu erhöhen, Maßnahmen gegen die massiv steigenden Lebensmittelpreise auf den Weltmärkten zu setzen. Ziel sei, dass sich die heimische Bundesregierung im Rahmen der Verhandlungen zur Reform der europäischen Finanzmarktrichtlinie für die strikte Beschränkung von Termingeschäften mit Nahrungsmitteln, ein Verbot von Investmentfonds an den Agrarrohstoffmärkten und mehr Transparenz an den Agrarrohstoffbörsen einsetzt, hieß es damals in einer Aussendung der katholischen Hilfsorganisation.

ISSN 2222-2464

Diesen Beitrag teilen

Newsletter abonnieren

Der Newsletter von evang.at mit den wichtigsten Nachrichten des Evangelischen Pressedienstes (epd) ist kostenlos und erscheint in der Regel einmal pro Woche am Mittwoch.