17.10.2001

Bioethik: Entscheidungszwänge werden größer

Internationales Symposion zur Frage des Embyonenschutzes im ORF-Funkhaus - Körtner fordert interdisziplinäres Gespräch

Internationales Symposion zur Frage des Embyonenschutzes im ORF-Funkhaus – Körtner fordert interdisziplinäres Gespräch

Wien, 17. Oktober 2001 (epd Ö) „Wir werden damit zurechtkommen müssen, dass Entscheidungszwänge und Verantwortung einen Zuwachs erfahren werden.“ Das erklärte der Wiener Systematiker Univ. Prof. Dr. Ulrich H.J. Körtner zur gegenwärtigen Forschungslage in der Biomedizin. Körtner, der auch Mitglied der Bioethik-Kommission der österreichischen Bundesregierung ist, forderte auf dem internationalen Symposion „Embryonenschutz – Hemmschuh für die Biomedizin?“ ein interdisziplinäres Gespräch in allen einschlägigen Fragen.

Auf der Tagung, die vom 11. bis 12. Oktober im ORF-Funkhaus Wien stattfand, sagte der evangelische Theologe: „Es gibt keine abschließenden Antworten. Wir haben es mit einer Pluralisierung von Ethik-Ansätzen zu tun, die in ein Gespräch gebracht werden müssen.“ Angesichts umstrittener Forschungsmethoden und Forschungsergebnisse warnte Körtner allerdings davor, dass Ethik „der Kraft des Faktischen ethischen Weihrauch streut“.

Für den Vorsitzenden der Bioethik-Kommission der österreichischen Bundesregierung, den Wiener Gynäkologen Univ.-Prof. Dr.Dr. Johannes C. Huber, ist Embryonenschutz nicht eine Frage der Naturwissenschaft, sondern eine Frage der Ideologie und der Theologie. Huber, der zugleich römisch-katholischer Theologe ist, sagte bei dem Symposion: „Ich halte es für unethisch, eingelagerte Embryonen, die nicht mehr eingepflanzt werden können, zu töten. Sie sollten zur Adoption freigegeben werden. Sollte das nicht möglich sein, sind sie zur Forschung freizugeben.“

Wie wichtig sind embryonale Stammzellen des Menschen für die Transplantationsmedizin?

Für die Untersuchung menschlicher embryonaler Stammzellen in der Transplantationsmedizin trat der Vorsitzende des Fachausschusses Theoretische Medizin der deutschen Forschungsgemeinschaft, Univ.-Prof. Dr. Otmar D. Wiestler, ein. Voraussetzungen für die Verwendung solcher Zellen sei jedoch, so der Neurologe in seinem kontrovers diskutierten Referat, dass Tierexperimente voll auf menschliche Zellen übertragen werden könnten und die Ergebnisse mit erwachsenen Stammzellen nicht zu erzielen seien.

Die in der Behindertenseelsorge tätige evangelische Pfarrerin Cornelia Klösch warnte bei dem Symposion vor einem gefährlichen Bewusstseins- und Wertewandel in der Gesellschaft, wenn ein Urteil über den „Lebenswert“ eines Menschen möglich wird. Zum einen hätten Behinderte das Recht, „um ihrer selbst“ angenommen zu werden, zum anderen steige der Druck auf Eltern, die Gesellschaft nicht mit behinderten Kindern zu „belasten“, vor allem aus Kostengründen.

Das Symposion, an dem zahlreiche Wissenschaftler aus Österreich und Deutschland sowie Vertreter der evangelischen Diakonie und der Ökumene teilnahmen, wurde veranstaltet vom ORF-Hörfunk sowie vom Institut für Ethik und Recht der Universität Wien in Kooperation mit der Österreichischen Ärztekammer und dem Zentrum für Medizinrecht.

ISSN 2222-2464

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