20.02.2008

Absage an Verschwörungstheorien rund um Qumran-Schriften

Wiener Judaist Lange nach Abschluss des internationalen Wiener Qumran-Kongresses: mittlerweile 99 Prozent der am Toten Meer gefundenen Schriften wissenschaftlich aufgearbeitet

Wiener Judaist Lange nach Abschluss des internationalen Wiener Qumran-Kongresses: mittlerweile 99 Prozent der am Toten Meer gefundenen Schriften wissenschaftlich aufgearbeitet

Wien (epd Ö) – Scharfe Kritik an allen Verschwörungstheorien rund um die Qumran-Schriften hat der Wiener Judaist Prof. Armin Lange nach Abschluss des internationalen Wiener Qumran-Kongresses geübt: Bedingt durch den langen Editionsprozess der vor rund 60 Jahren am Toten Meer gefundenen Schriftrollen, aber auch durch die Sucht nach neuen (und möglichst gegen die Kirche gerichteten) Erkenntnissen über Jesus, sei es immer wieder zu wilden Spekulationen über die Brisanz der Texte gekommen.

Manche der „Sensationen“ wie etwa das Buch „Verschlusssache Jesus“ seien von „ungeheuerlicher Unseriosität“, so Lange am Freitag. Wie ernst derartige Enthüllungsliteratur zu nehmen sei, könne mit dem Beispiel des Hohepriesters Ananias belegt werden, der in dem Bestseller von Michael Baigent und Richard Leigh als „Hohepriester Ananas“ aufscheine.

Der aus Deutschland stammende, in Wien lehrende Judaist unterstrich, es gebe in den Qumran-Schriften genügend spannende und auch für den interreligiösen Dialog potenziell ergiebige Dinge. „Sprengstoff“ im Sinne von „Was Jesus wirklich dachte“ sei verzichtbar, zumal Jesus in den bisher wissenschaftlich aufbereiteten Teilen der Qumran-Bibliothek (die Gemeinschaft am Toten Meer bestand von ca. 100 vor bis 68 nach Christi Geburt) nicht einmal erwähnt wird. Und in wissenschaftlichen Editionen öffentlich zugänglich seien immerhin 99 Prozent der Texte, erinnerte Lange.

Über den am Donnerstag an der Universität Wien zu Ende gegangenen Qumran-Kongress mit rund 60 Einzelvorträgen von Fachleuten aus aller Welt sagte Lange als einer der Organisatoren, er bilde eine wichtige Station in der nun schon Jahrzehnte währenden Erforschung der antiken Handschriften, die 1947 in elf Höhlen in der Nähe des Toten Meeres gefunden wurden. Hätten die Experten lange und mühsam darum ringen müssen, „für welchen Buchstaben dieser oder jener Tintenklecks“ auf den Schriftrollen stehe, gehe es nunmehr um die Frage, was denn die entzifferten Texte für das Verständnis des Alten und Neuen Testaments, des rabbinischen Judentums, der griechischen und römischen Antike sowie des alten Orients bedeuten. Man könne für Laien die Bedeutung der Qumran-Texte so umschreiben, dass sie auf einer Zeitstrecke kurz vor der Kreuzung anzusiedeln seien, die das frühe Christentum vom rabbinischen Judentum schied. Für das Verständnis der Wurzeln zweier Weltreligionen seien die Texte somit von enormem Wert, betonte Lange.

Und sie könnten auch konkrete Bedeutung für den jüdisch-christlichen Dialog haben: Das gegenwärtige Judentum könne aus den Qumran-Schriften erkennen, dass religiöse Nah-erwartungs-Hoffnungen, die sich auf das Ende der Zeiten bezogen, durchaus nicht „un-jüdisch“ waren; die Christen wiederum könnten die Einsicht gewinnen, dass die dem Judentum oft vorgehaltene Gesetzesorientiertheit auch Teil des christlichen Erbes ist. Dass Qumran-Schriften mit ihrer großen Vielfalt an Textformen – es liegen rund 200 Abschriften biblischer Bücher aus Qumran vor – auch liturgische Bedeutung haben können, zeige eine amerikanische Übersetzung der beiden Samuel-Bücher, die sich auf die in Qumran gefundenen Varianten stützt.

ISSN 2222-2464

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