14.06.2017

350.000 Besucher bei der „Langen Nacht der Kirchen“

Reformationsjubiläum im Fokus

"Late Night Talk" mit Bischof Michael Bünker und Kardinal Christoph Schönborn in der Kirche St. Johann Nepomuk in Wien. Beide unterstrichen die Bedeutung von mehr Sichtbarkeit für das gesellschaftliche Engagement der Kirchen. Foto: Ulrike Schelander, Michaela Speringer

Reformationsjubiläum im Fokus

Wien (epdÖ) – Rund 350.000 Menschen haben nach Schätzungen der Veranstalter am Freitagabend, 9. Juni, an der bundesweiten „Langen Nacht der Kirchen“ teilgenommen. In 650 Kirchen, Klöstern und Pfarrzentren in ganz Österreich wurde bis in die späten Nachtstunden ein vielfältiges Programm aus Kirchenführungen, Lesungen, Tanz und Konzerten geboten.

Diskussionen und Ausstellungen griffen auch sozial-, kirchen- und gesellschaftspolitische Themen auf. Insgesamt konnten die BesucherInnen des ökumenischen Großereignisses bei freiem Eintritt aus mehr als 2700 Einzelveranstaltungen wählen.

Einen deutlichen Akzent setzte die von den im Ökumenischen Rat der Kirchen vertretenen christlichen Konfessionen gemeinsam organisierte Kirchennacht erneut zur Unterstützung der verfolgten Christen weltweit. Zum Auftakt der Kirchennacht führte Kardinal Christoph Schönborn den Schweigemarsch von „Christian Solidarity International“ für die Opfer religiöser Gewalt und Verfolgung durch die Wiener Innenstadt an. „Wir demonstrieren nicht, sondern erinnern daran, wie viele Christen weltweit verfolgt werden, aber auch, wie viele andere Menschen unter Gewalt leiden. Und wir beten für den Frieden und für Gerechtigkeit“, sagte Schönborn. In der Steiermark wurde an allen Veranstaltungsorten um 22 Uhr zeitgleich ein stilles Gedenken für all jene Menschen abgehalten, die wegen ihres Glaubens verfolgt oder diskriminiert werden.

Beim Eröffnungsgottesdienst in der vollen Augustinerkirche, den Kardinal Schönborn gemeinsam mit Bischof Michael Bünker gestaltete, drückte der Kardinal seine Hoffnung aus, dass „die ‚Lange Nacht‘ mehr als ein bloßes Event, ein wichtiges Stück auf dem Glaubensweg“ sein möge. Im Fokus zahlreicher Programmpunkte stand heuer das Reformationsjubiläum. Dass dieses in Österreich „sehr gut“ wahrgenommen werde, unterstrich Bischof Bünker beim „Late Night Talk“ zum Thema „500 Jahre Reformation“ gemeinsam mit Kardinal Schönborn in der Kirche St. Johann Nepomuk in Wien-Leopoldstadt. Beide sprachen sich dort für mehr Erkennbarkeit im gesellschaftlichen Einsatz der Kirchen aus. Ein gemeinsames Zeugnis sei angesichts von neonationalistischen Tendenzen, der wachsenden Fremdenfeindlichkeit oder der immer weiter aufgehenden sozialen Schere nötig. Bünker wies dabei auf den besonderen Umgang der Ökumene mit Vielfalt hin. Im innerchristlichen Dialog gehe es nicht um das Beschwören einer Einheit, sondern um das Erkennen, dass Unterschiede „uns nicht mehr trennen, sondern auch bereichern können“. Der Klimawandel, aktuelle Hungerkrisen und die Notwendigkeit eines nachhaltigeren Lebensstil sind laut Bünker eine „enorme spirituelle Herausforderung“, denn: „Alle haben das Gefühl, das würde bedeuten, dass es mir dann schlechter geht, und bauen deshalb Blockaden auf.“ Christlicher Glaube könne vor Abstiegsängsten bewahren, helfe Unsicherheiten auszuhalten und bringe Erlösung für eine Auffassung des Lebens „als letzte Gelegenheit“, die sich nur an Karriere, Gehalt und Pensionsanspruch orientiere. Der Reformator Martin Luther habe mit seiner Soziallehre wichtige Impulse dafür gegeben, sich keine „Sachzwänge“ einreden zu lassen.

Im Museumsquartier in Wien lud das Bibelzentrum zum Besuch der Ausstellung „Bibel und Reformation“. In Innsbruck wurde der Dialog auch auf nicht-christliche Religionen ausgeweitet. Ein Höhepunkt des „Abends der Religionen“ in der evangelischen Auferstehungskirche war eine Erklärung der Israelitischen Kultusgemeinde zum jüdischen Sabbat und der Islamischen Religionsgemeinschaft zum muslimischen Fastenbrechen.

Dass auch die „Wohlfühlstadt“ Wien versteckte und offene Armut kennt, wurde bei einer Diskussion in der Reformierten Stadtkirche deutlich. Vertreterinnen der „Bettellobby“ und der Initiative „Sichtbar werden“ – beide Teil der Armutskonferenz – sowie der „Kurier“-Journalist Uwe Mauch sprachen über das Thema „Armut in Wien“. Der Tenor: Das soziale Klima wird rauer, die Gesetze gegen das Betteln rigider, die Nächstenliebe im christlich geprägten Österreich bleibt oft sehr lückenhaft.

Allein in Wien wurden bei der bereits 13. Auflage der „Langen Nacht der Kirchen“ 150.000 BesucherInnen in den Gotteshäusern der verschiedenen Konfessionen gezählt. Hauptbesuchermagnet waren einmal mehr die zahlreich geöffneten Innenstadtkirchen und hier vor allem der Stephansdom. Dompfarrer Toni Faber sprach von rund 40.000 Besuchern in der „Langen Nacht“.

400 Stunden buntes Abendprogramm wurden in ganz Oberösterreich geboten: Mehr als 70 Kirchen, Klöster, Kapellen und kirchliche Einrichtungen von neun christlichen Konfessionen öffneten ihre Türen und luden zu mehr als 300 Veranstaltungen ein. Beim ökumenischen Gottesdienst zu Beginn der „Langen Nacht“ im Linzer Mariendom, den Diözesanbischof Manfred Scheuer, der evangelische Superintendent Gerold Lehner, der methodistische Pfarrer Martin Siegrist und der serbisch-orthodoxe Erzpriester Dragan Micic gestalteten, zeichnete Lehner in seiner Predigt das Bild von der besonderen Wirkung der Nacht als „Ort Gottes, des Staunens, des Ausatmens, des Einschwingens und des Loslassens“.

In der Grazer Heilandskirche machte man sich in der „Langen Nacht“ Gedanken, was „typisch evangelisch“ sei, von Johann Sebastian Bach beginnend bis zu originalen Luther-Texten, stimmgewaltig präsentiert von Schauspieler Gerhard Ernst. „Geh aus mein Herz und suche Freud“ erklang unweit in der Stadtpfarrkirche, wo Superintendent Hermann Miklas und Stadtpfarrpropst Christian Leibnitz unter dem Motto „Sing mit!“ Lieder aus der evangelischen, katholischen und ökumenischen Tradition vorstellten.

Die nächste „Lange Nacht der Kirchen“ wird am 25. Mai 2018 stattfinden.

ISSN 2222-2464

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