12.09.2008

10 Jahre Drogentherapiezentrum Schweizer Haus Hadersdorf

"Grenzziehung zwischen legalen und illegalen Drogen nicht sachgemäß"

„Grenzziehung zwischen legalen und illegalen Drogen nicht sachgemäß“

Wien (epd Ö) – Die derzeit geltende Grenzziehung zwischen legalen und illegalen Drogen ist nicht sachgemäß. Das war das Ergebnis einer Podiumsdiskussion zum Auftakt des 10-Jahr-Jubiläums des Drogentherapiezentrums Schweizer Haus Hadersdorf am 11. September im Albert-Schweitzer-Haus in Wien.

In der gut besuchten Diskussion, an der die Wiener Verfassungsjuristin Dr. Brigitte Hornyik, der Schweizer Suchtforscher Univ.-Prof. DDr. Ambros Uchtenhagen sowie der Publizist Dr. Franz Schuh teilnahmen, kritisierte Hornyik, die derzeit geltenden juristischen Kriterien, nach denen legale und illegale Drogen unterschieden würden, seien unklar. Die Juristin verwies auf die gesellschaftlich akzeptierte Droge Alkohol und stellte fest: „Die Grenze zwischen legal und illegal ist offensichtlich nicht nach dem Gesichtspunkt der Schädlichkeit gezogen.“ Bei der gesellschaftlichen Beurteilung von Drogen vollziehe sich allerdings ein stetiger Wandel. Der Gesetzgeber reagiere zwar mit Verzögerung auf gesellschaftliche Grundstimmungen und sei mitbestimmt von den jeweiligen politischen Verhältnissen. Dennoch hätten Gesetze Signalwirkungen, die die gesellschaftliche Entwicklung auch in der Zukunft beeinflussen könnten. Das sei auch im Drogenbereich möglich.

Hornyik betonte, die Gründe, aus denen Menschen Drogen nehmen, seien noch zu untersuchen. Die übliche Kriminalisierung Drogensüchtiger verhindere dies allerdings. Die Verfassungsjuristin erinnerte an den Solidaritätsgedanken und forderte eine gesetzlich gesicherte staatliche Finanzierung von Drogentherapiezentren wie dem Schweizer Haus Hadersdorf.

Grundsatz „Therapie statt Strafe“ „auf dem Papier“ anerkannt

Auch der Leiter des Instituts für Suchtforschung der Universität Zürich, Ambros Uchtenhagen, hob hervor: „Die aus historischen Gründen entstandene Liste der verbotenen Substanzen muss immer wieder neu überarbeitet werden.“ Der Suchtforscher berichtete, der Konsum illegaler Substanzen lasse weltweit nach, dagegen nehme der Konsum verschreibbarer Drogen zu. Zum Thema der Podiumsdiskussion „Drogen – wie viel Risiko, wie viel Freiheit will eine Gesellschaft?“ bemerkte Uchtenhagen, nur die Bevölkerung selbst könne über diese Frage befinden. So habe die Schweizer Bevölkerung in einer Volksbefragung einem liberalen Drogengesetz zugestimmt, das ein ganzheitliches therapeutisches Ziel verfolgt. Dieses System sei ein äußerst wirtschaftliches Modell und werde derzeit von immer mehr europäischen Staaten übernommen. Insgesamt werde der Grundsatz „Therapie statt Strafe“ in den meisten Ländern „auf dem Papier“ anerkannt, jedoch höchst unterschiedlich praktiziert.

„Die Frage nach Legalität oder Illegalität von Drogen ist nicht beantwortbar“, sagte der österreichische Publizist Dr. Franz Schuh in der Diskussion. Die Entscheidung darüber werde „einfach im Blindflug“ getroffen. Schuh hielt eine drogenfreie Gesellschaft für „nicht denkbar“. Die Gesellschaft erlaube in Hinblick auf Drogen „so viel Freiheit, wie der Arbeitscharakter der Gesellschaft nicht gefährdet ist“. Der Schriftsteller sah die gesellschaftliche Funktion der Drogen darin, dass sie es vielen Menschen ermöglichten, „die Alltäglichkeit zu ertragen“. Dagegen beweise der Staat seine Existenz damit, dass er die „Glücksbringer“ kontrolliere und die Unterscheidung zwischen legal und illegal treffe. Schuh äußerte Ratlosigkeit gegenüber dem Phänomen, dass die Gesellschaft den Drogenbereich isoliere, Drogen aber dennoch eine beträchtliche Faszination ausübten.

Franz Schuh: Drogenliberalisierung in Österreich nicht diskutierbar

Zur Frage einer Drogenliberalisierung in Österreich ähnlich der in der Schweiz sagte Schuh in der von ORF-Journalist Christoph Feurstein moderierten Podiumsdiskussion, da Politik als Stimmenmaximierung verstanden werde, könne man in Österreich derartige Themen nicht „platzieren“.

Das weitere Festprogramm des 10-Jahr-Jubiläums findet am Freitagnachmittag im Schweizer Haus Hadersdorf statt. Geboten werden Informationen, Spiel und Sport, szenische Darstellungen der PatientInnen und das Kabarett Pepi Hopf „Mit besten Grüßen aus Wien Simmering“. Es spielen die „Accoustic Brothers“.

Das Schweizer Haus Hadersdorf ist getragen von einer GmbH, an der auch der Evangelische Waisenversorgungsverein als Gesellschafter beteiligt ist.

ISSN 2222-2464

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